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ach einer Woche auf der Renvyle-
Wir sind auf dem Friedhof von Mullaghgloss, dem Wendepunkt unseres Rundwegs. Die Bank neben dem Eingang ist trocken, vor uns das Grab von Brian McGloin, der vor fünfzehn Jahren bei einem aus Übermut verursachten Autounfall ums Leben kam. Links ein Ausschnitt aus der aktuellen Ausgabe des Connemara Journal.
Unweit unserer Bank entdecken wir die letzte Ruhestätte von James (Jackie) Jack, dem Ehemann unserer Landlady, der im vergangenen Jahr starb. Zweiundsiebzig Jahre wurde er alt, kein anderes Grab ist von so vielen Blumen umrandet. Im Grabstein eingelassen ist ein Foto von ihm und ruft die Erinnerung daran wach, wie er im schwarzen Anzug bei Veldon’s als Kellner gearbeitet hatte. 1942 in Schottland geboren, hat er an Irlands Atlantikküste sein final home gefunden, doch wie alle hier Ruhenden nicht mit dem Blick auf die See und den weiten Horizont, sondern nach Osten auf den Berghang. Ganz schön blöd! Kein Wunder, dass es in diesem Land so viel spukt, wenn sich die Geister der Verstorbenen andauernd in ihren Gräbern umdrehen müssen, um das Meer zu sehen und in die Unendlichkeit zu blicken.
Eileen Óg an Nis Puk – Brief aus Irland
oin Nis — nach einer Woche in Irland wird es Zeit, euch Bericht zu erstatten. Dieses Mal haben es meine beiden Mitreisenden endlich einmal geschafft, ohne sich zu verfahren vom Flugplatz nach Tulach na Croise zu finden oder sich von den Autoverleihern gegen Aufpreis etwas aufschwatzen zu lassen, was sie weder brauchen noch wollen. Vielleicht haben sie dazugelernt, was bei Menschen immer etwas länger dauert. Was man daran sieht, dass ihnen am Donnerstag ein anderes Malheur passiert ist. Da hatte sich die Deern eingebildet, sie könne es mit ihren zwei unbeholfenen Beinen uns Schafen beim Hanghochklettern nachmachen und eine Abkürzung über nasse, veralgte Steine nehmen — und schon hatte sie sich auf die Nase gelegt und ihr Kreuz verstaucht, so dass wir jetzt ein bisschen behindert sind und morgens kaum aus dem Bett kommen. Das Laufen und Im-Pub-Sitzen geht aber so halbwegs, sagt sie, vor allem wenn man auf einem high chair sitzt, Musik hört und Guinness trinkt. Früher habe ich gedacht, high chairs seien nur für Menschenbabys da, doch in den Pubs stehen vor der Theke auch immer welche rum. Vielleicht, weil manche Trinker beim Trinken immer kindischer werden? Ich muss das mal genauer untersuchen.
So oder so hatten wir gestern Abend im Angler’s Rest feine Musik mit zwei Musikanten, die nicht mehr so ganz jung waren, wir aber trotzdem noch nicht kannten. Der eine spielte Gitarre und sang von Lämmern auf grünen Hügeln, der andere spielte Akkordeon. Sie passten wunderbar zu uns, denn der erste konnte sich nur auf Krücken bewegen und der andere hatte einen Arm bandagiert. Vielleicht hatten auch sie sich beim Bergsteigen mit einem Schaf verwechselt.
Schöne Grüße an Jan Hinrich, Paddy-the-Sailor, Shaun das Schaf und alle anderen von
Eileen Óg, Reise- und Navigationsschaf”
uf dem Weg nach Roundstone ein Stopp an der alten Brücke hinter dem ehemaligen Bahnhof von Ballynahinch, wo in den 1920-er Jahren His Highness Kumar Shri Ranjitsinhji, Jam Saheb of Nawanagar, hierzulande besser bekannt als Ranji, Maharadscha von Connemara, den Zug zu verlassen pflegte, um sich zu seinem irischen Landsitz kutschieren lassen. Seine erste Ankunft in Irland beschreibt Anne Chambers in ihrem Buch Ranji – Maharajah of Connemara wie folgt:
17. Juli 1924. Das Postschiff fuhr in Hafen von Kingstown und machte am üblichen Liegeplatz fest. Doch für die neugierigen Passanten war offensichtlich, dass heute irgendetwas anders war. Ein Kontingent der neu geschaffenen Nationalgarde hatte sich am Kai aufreiht, nicht weit davon warteten Minister des irischen Freistaates und offizielle Vertreter Dublins. Von dem Schauspiel angezogen bildete sich eine Zuschauermenge. Alle Augen richteten sich auf die Gangway. Nach kurzem Warten ertönte ein erstauntes Murmeln aus der Menge und eine Gestalt erschien, gekleidet in einen blauen Seidenmantel mit weißen Leggins und einem weißen Turban, auf dessen Mitte ein großer Smaragd prangte. Mit dunklem Gesicht und lächelnder Miene kam die Gestalt im flotten Schritt den Gang herunter und schüttelte Außenminister Desmond Fitzgerald die Hand. Und damit begann die Love Story zwischen seiner Hoheit, Prinz Kumar Shri Ranjitsinhji, Maharadscha von Nawanagar, Staatsmann und berühmter Kricketspieler, und Irland – eine Affäre, die erst mit seinem plötzlichen Tod im Jahr 1933 ihr Ende fand.
Irland bedeutete für ihn Connemara, und rasch verliebte er sich in die Angelgründe und das Anwesen von Ballynahinch Castle, das er nach einigen Sommeraufenthalten mit einem in England aufgenommenen Kredit erwarb. Eine schillernde Gestalt mit guten Beziehungen zur Regierung des Freistaates und beliebt bei den Bewohnern der Region, denn er zahlte höhere Löhne als üblich und beglich in Irland entgegen seinen sonstigen Geflogenheiten seine Rechnungen. Alljährlich erwarb er fünf neue Autos, die er am Ende der Sommersaison an verdiente Einheimische verschenkte. Zwei seiner Nichten gingen in Kylemore Abbey zur Schule, wo man den Besuchern noch heute stolz ihre Fotos zeigt. Dem Vernehmen nach wird sein Geist seit seinem Tod immer mal wieder beim Angeln an einem der Gewässer rund um das Schloss gesichtet.
Das Wetter ist trübe, doch wenn ich noch weitere Jahre auf besseres Licht warte, ist die Brücke eines Tages zusammengebrochen – wie so Manches, was ich nicht rechtzeitig fotografiert habe. Ich packe also die Kamera aus und drücke auf den Auslöser; die Hoffnung unter der Brücke auch den Geist Ranjis aufs Bild zu bekommen, erfüllt sich leider nicht.
* * *
Roundstone hat sich in den letzten zwölf Monaten kaum verändert. Auf dem kleinen Landmarkt im Zentrum des Straßendorfes halten ein Blumen- und Pflanzenhändler, ein Anbieter von teuren Bio-
Das war es dann auch schon. Nebenan auf dem Spielplatz halten derweil junge Familienväter ihren Nachwuchs bei Laune. Sonntags in der kleinen Stadt.
* Traditionelle irische Kartoffelpfannkuchen
uf dem Weg in den Norden, etwa zehn Kilometer vor Westport, ein Halt an der N 59, um über einen kleinen See hinweg den sich in der Ferne zeigenden Croagh Patrick zu fotografieren. Unzählige Mal sind wir hier in den letzten zwanzig Jahren vorbeigekommen, doch nun endlich einmal scheint die Sonne, und weiße Wolken lockern den blauen Himmel auf.
Horseman, pass by! Wir arbeiten uns nach Sligo vor, passieren ohne Stopp das Grab von William Butler Yeats und machen einen Abstecher nach Mullaghmore. Der kleine Fischerort am Ende der in den Atlantik ragenden Halbinsel ist bekannt für seinen Sandstrand. Im Pier Head Hotel hat man für uns einen warmen Ziegenkäsesalat. Draußen in der Sonne waren keine Tische mehr frei, hier drinnen sind nur wenige besetzt. Ein junger Vater geht mit einem Säugling auf dem Arm in den Baby Changing Room, kommt aber schon nach wenigen Minuten mit dem gleichen Kind zur Mutter zurück. Sie hatten wohl kein Besseres.
Beim Blick auf den Hafen kommt einem unwillkürlich das Attentat auf Lord Mountbatten in den Sinn, einem Onkel von Prinz Philipp, dem Ehemann der Queen. Geboren als Prinz Louis von Battenberg, verbrachte der letzte Vizekönig von Indien und Mentor des britischen Thronfolgers die Sommer seines Ruhestands unweit von hier auf Classibawn Castle, eine Erbschaft seiner verstorbenen Frau. Am 27. August 1979 fuhr der 79-
Wir haben unser Mahl beendet, zahlen und steigen nach einem kleinen Spaziergang entlang der Küste wieder ins Auto. Der Rücken bereitet meinem Mädchen weiterhin Probleme, Laufen geht besser als Sitzen und das Einsteigen in den Wagen fällt ihr schwer. In einer Schleife über die Halbinsel geht es mit einem Blick auf Lord Mountbattens einstigen Sommersitz zur Nationalstraße 15 zurück.
Irlands nördlichste Grafschaft ist erreicht, wir sind in Dun na nGall, der Festung der Fremden. Donegal Town lassen wir links liegen, eine neue Umgehungsstraße führt um die Stadt herum. Der nächste Stopp ist Killybegs auf der Nordseite der Donegal Bay, Irlands größter Fischereihafen. “Cleggan XXL”, meint mien Deern, “genau so unaufgeräumt und wenig romantisch.” Der Versuch, eine Straßen- und Wanderkarte der Halbinsel zu erwerben, scheitert, auch im Tourist Office am Hafen ist “momentan” keine erhältlich. Dann also weiter. Gegen halb fünf sind wir in Kilcar.
Cill Charthaigh, wie der Ort in der Gaeltacht offiziell heißt, ist ein an einem Hang gelegenes Straßenkreuzungsdorf unterhalb der sich im Westen erhebenden Ausläufer der Slieve League. Die Läden und Pubs liegen an der parallel zur Küste verlaufenden Längsachse, unsere Unterkunft an seiner Querachse, einer schmalen Straße, die vom Wasser kommend die Hauptachse des 600-
Anne Marie zeigt uns unser Domizil, ein Doppelzimmer en suite. Den Aufenthaltsraum mit Küchenecke müssen wir uns laut Internet mit den Bewohnern eines zweiten Zimmers teilen, doch da dort zur Zeit niemand wohnt, haben wir ihn für uns allein. Hell und hübsch eingerichtet ist er, wie das Foto zeigt, doch der ‘Kühlschrank’ im Format eines Schuhkartons stammt wohl aus einer Puppenstube. Steht man in der Eingangstür, blickt man auf die Dächer des Dorfes.
Wir bringen unsere Siebensachen für die vier Übernachtungen ins Haus und wandern zur Hauptstraße hinunter, um eine Karte der Region zu erwerben, vorzugsweise No. 10 der OSI-
Die Sonne hat sich noch nicht völlig hinter die Berge der Slieve League zurückgezogen, und so gehen wir an der Woolen Mill vorbei ein Stück den Wild Atlantic Way hoch, bis wir einen Blick auf die Bucht und den Atlantik werfen können.
ach dem Frühstück unternehmen wir einen neuen Versuch, eine Straßenkarte der Region aufzutreiben, dieses Mal im post office des Ortes, das sich auf engstem Raum zugleich als Laden für Schreibwaren, Kochtöpfe und Küchenutensilien erweist. Die Postmeisterin begibt sich auf nicht einsehbarem Weg hinter ihrem Schalter weg, taucht hinter uns wieder auf und macht sich in den verborgenen Winkeln ihres Reiches auf die Suche – erfolglos. Da kommt ein älterer Mann durch die Tür. Sie konsultiert ihn, er denkt laut nach und meint, es sei nicht auszuschließen, dass er zu Hause eine habe und sie uns ausleihen könne. Nach fünf Minuten ist er mit einem Straßenatlas für ganz Irland zurück, doch den haben wir selbst. Nach weiterer Beratung mit der Postmeisterin empfiehlt er, es in einem bestimmten Laden in Killybegs zu versuchen und erläutert den Weg dorthin. Wir bedanken uns für die Hilfsbereitschaft mit dem Kauf dreier Ansichtskarten.
Kilcar gilt als das Zentrum der Donegal Tweet Industry, und es sind nur ein paar Schritte bis zur hiesigen Woolen Mill. Vielleicht gibt es im zugehörigen Shop auch Wanderkarten. Das ist zwar nicht der Fall, doch der junge Mann am Eingang ladet uns ein, einen Blick in den Betrieb zu werfen, und schickt uns eine Treppe höher zu den Handwebern. Zwei von ihnen sind ‘at work’, ein alter und ein junger, mit Händen und Füßen. Selbst wenn ich das koordinationsmäßig hinbekommen würde, wäre ich bei seinem Tempo nach fünf Minuten völlig erschöpft. Er finde die Arbeit nicht sonderlich anstrengend, meint der Ältere ob dieses Einwurfs, und er mache sie bereits seit mehr als vierzig Jahren. Mir kommt er vor wie ein Musiker an seinem Instrument, während er mit den Füßen rhythmisch auf immer wieder andere Pedale tritt, wodurch die Spindel mit der gerade benötigten Garnfarbe in die richtige Startposition gebracht wird, um sie dann durch Betätigung von Handhebeln waagerecht durch die vertikal gespannten Fäden schießen zu lassen. Wie er es wohl schafft, dabei nicht aus dem Takt zu kommen und stets die richtige Farbe zu erwischen?
Die Wolle kommt aus Australien und Neuseeland, vertraut er uns an, wird aber hier gesponnen und gefärbt. Gesponnen wird nicht mit der Hand, doch die Spinnmaschinen, zu denen er uns anschließend führt, sehen aus wie einem Industriemuseum entsprungen. Unverwüstlich wie die Webstühle, erklärt er, alles könne vor Ort repariert werden, und nicht ein elektronisches Bauteil, für das es keinen Ersatz mehr gibt, wenn es seinen Geist aufgibt.
Für eine so eindrucksvolle Privatführung wollen wir uns revanchieren und kaufen ein: Wolle für einen Pullover, eine Donegal Tweet Cap für mich sowie eine Kopfbedeckung für mein Pony Hütchen, alles zusammen für 180 Euro.
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Zurück von den Handwebern treffen wir unsere Landlady Anne Marie, die uns noch etwas zeigen will. Gegenüber ihrem Haus geht es den Hang hinunter zu einem Bach mit einem kleinen Wasserfall, wo vor einem dichten, urwaldartigen Gehölz Menschen mit Schaufeln, Hacken und Harken tätig sind. Ein garden club mit gut zwanzig Mitgliedern, erzählt sie, während sie uns durch die Beete führt und den dort Wirkenden vorstellt, die angeleitet durch einen Gärtner auf dem von der Gemeinde gestellten Land einen Garten anlegen, in dem sie Obst, Gemüse und Blumen anbauen. Heute Vormittag lernt man, wie man Stecklinge herstellt und setzt.
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Der Glencolumbkille Folk Park besteht aus sieben ‘traditional Irish Cottages’, die so aussehen wie unseres in Tully Cross. Da sparen wir uns den Eintritt und investieren das Geld im zugehörigen Craftshop in die OSI-
Mit der neuen Karte geht es zum Strand von Malin Beg. Grau der Himmel, grau das Land und grau das Meer. Der berühmte Sandstrand Trabane, dessen Name sich vermutlich von trá bán (weißes Ufer), herleitet, liegt in einem geschützten Felsenkessel, in den ungezählte Stufen hinunterführen. Fröstelnd im kalten Wind stehend reicht uns der Blick von oben. Am Zaun liegt ein halbwegs sauberes und trockenes altes Brett, das zwecks späterer Verwendung in den Kofferraum wandert.
Im Dorf Malin Beg (kleine Felskuppe) endet die von Glencolumbkille kommende Landstraße. Wir fahren nach Malin Mór (große Felskuppe) zurück und dann über eine Straße knapp oberhalb der grauen Kategorie* gen Carrick, rechts und links weite Torfmoore unter einem tristen Himmel. Auf halbem Weg entdecken wir eine weitere Woolen Mill, kehren ein und finden einen Pullover für Günther, der am 27. Geburtstag hat. Die OSI-
In Carrick, es dürfte zwischen fünf und sechs Uhr am Nachmittag sein, dinieren wir in einem Pub unweit des Marktplatzes. Der warme Makrelensalat ist ganz lecker, doch das Beste sind die dazu gereichten geknoblauchten Babykartoffeln.
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Am Abend haben uns Anne Marie & Michael zu einem heißen Bailey’s Coffee ins Obergeschoss eingeladen. Wir bringen die Flasche Wein von Anne Jack** mit. Michael ist ein fluent Irish speaker, drängt sich damit aber nicht auf und ist überhaupt ein sehr netter Mensch. Morgen fliegt er von Knock aus nach London, wo sein Sohn lebt und mit seiner Gaelic-
* Auf Karten grau eingezeichnete Straßen sind nicht durchgehend asphaltiert.
** Siehe 7. Juni 2015
er Gipfel des Slieve League liegt unter einer grauen Wolke, und so verschieben wir unseren Besuch bei ihm auf morgen und machen uns nach Ardara auf, das uns gestern Abend als alternatives Ausflugsziel empfohlen wurde.
In the City of Chicago,
When the evening shadows fall,
People are dreaming
Of the Hills of Donegal.
singt Christy Moore von einer unserer CDs. Nun wissen wir wie sie aussehen, die grünen Hügel Donegals. Sie sind keine Einzelgänger wie die Twelve Bens in Connemara, die sich sauber durch Täler getrennt nebeneinander in Positur stellen, sondern haben mehr Gemeinschaftssinn, stützen sich gegenseitig und gleiten sacht vom einen zum nächsten Gipfel über. Vielleicht braucht man im rauen Norden mehr von diesem Zusammenhalt, wie er auch im Gartenprojekt von Kilcar zum Ausdruck kommt. Vor einer Serpentine halten wir auf einem Schotterplatz und blicken in Längsrichtung durch ein Tal auf das Meer am Horizont. Doch keine Sonne kommt das triste Graugrün aufzufrischen und das Meer zum Leuchten zu bringen, so dass es ohne ein Foto weitergeht.
Wie soll man Ardara beschreiben? “Ein bisschen wie Clifden vor einem Vierteljahrhundert”, meint mein Mädchen, “so wie damals, als wir zum ersten Mal nach Irland kamen.” Ein wenig größer vielleicht, und die am Straßenrand parkenden Autos passen auch nicht mehr zu dem Bild von vor fünfundzwanzig Jahren. Sie wandert von einem Laden zum anderen, nur um zu schauen, nicht um zu kaufen. Würden wir McHugh heißen, könnten wir uns in McHughs Pub kostenlos ‘den besten Irish Coffee Irlands’ kredenzen lassen, so aber lunchen wir ein paar Häuser weiter unter Einheimischen im Café des Ardara Heritage Centre. € 11,50 für die Seafood Platter – sehr lecker, ganz besonders die im Preis inbegriffene Seafood Chowder, die beste, die sie je genossen hat, meint mien Deern.
Nach dem Essen besuchen wir die Woolen Mill, die wie in Kilcar am Ortseingang liegt. Im hinteren Bereich sind zur Demonstration alte Handwebstühle aufgestellt und eingerichtet. Ich frage, woher die Wolle kommt. “Von den hiesigen Schafen”, zeigt sich die Dame gewiss, die herbeieilt uns die Handweberei zu erklären. Man beziehe sie von der Woolen Mill in Kilcar, wo sie gesponnen und gefärbt wird. Seltsam nur, wende ich ein, wo man uns in Kilcar doch gesagt hat, dass man dort nur Wolle aus Neuseeland und Australien verspinnt. Dann sei sie womöglich falsch informiert, gesteht sie verdutzt ein, während sie meinem Mädchen die Produkte ihrer Woolen Mill präsentiert und ich Fotos von den alten Webstühlen mache. Wir verlassen die Fabrikationsstätte mit einem irischen Poncho und vergessen ganz rasch, was er gekostet hat.
Via Killybegs geht es zurück. Unter diesem trüben Himmel zeigt sich Irlands größter Fischereihafen heute alles andere als pittoresk. Vor elf Jahren wurden für 50 Millionen Euro mit Unterstützung durch die EU die Kaianlagen gebaut. Ob die Passagiere des Kreuzfahrers, der abseits der Fischtrawler festgemacht hat, vom Donegal mehr als diesen tristen Eindruck mit nach Hause nehmen?
Hinter dem Ortsausgang biegen wir von der schmalen Hauptstraße auf die noch schmalere Küstenstraße nach Kilcar ab. Der Wild Atlantic Way führt über sie, wunderschön, wenngleich der Fahrer in der steten Sorge ist, ein anderes Fahrzeug könne ihm entgegenkommen und zwingen, rückwärts fahrend eine Ausweichstelle zu suchen. Nahe Muckross Head finden wir eine Möglichkeit das Auto abzustellen und die Ecke zu Fuß zu erkunden. Mein Mädchen weist auf einen Ausblick, den uns Anne Marie – wenn sie nicht gerade gärtnert, malt sie ein wenig – gestern auf einem ihrer Bilder gezeigt hatte, wenngleich er in der Realität weit weniger dramatisch wirkt. Ich warte auf das Vorbeihuschen eines kleinen Wolkenlochs, um auf den Auslöser der Kamera zu drücken.
as Wetter ist zwar nicht besser geworden, doch es ist unsere letzte Chance dem Slieve League auf die Pelle zu rücken. Die Wanderkarte zeigt eine kurvige Straße bis zu der Stelle, wo der Aufstieg beginnt, doch ganz so weit kommen wir mit dem Auto nicht. Immer enger werden die Serpentinen und immer schmaler die Straße. Als wir ein Stück voraus zwei PKW sehen, die kaum aneinander vorbeikommen, parken wir unser Vehikel auf einem Schotterstreifen am Straßenrand und gehen zu Fuß weiter – um dann hinter der nächsten Kehre auf einen neuen, zum Teil noch im Bau befindlichen Parkplatz zu stoßen. Bis hierher hätten wir es auch noch geschafft! An seinem Ausgang führt die schmale Straße weiter den Berg hoch, doch uns scheint, dass sie von hier an für den allgemeinen Verkehr gesperrt werden soll, denn man ist dabei ein Tor quer über die Straße zu bauen.
Wir laufen etwa einen Kilometer, bis die asphaltierte Zufahrt an einem Schotterplatz endet. Von einer Holzterrasse aus hat man auch bei diesem trüben Wetter einen grandiosen Blick auf den Atlantik und den Berg, Picknicktische und Bänke laden zum Rasten und Verweilen ein. Gleich daneben steht die ‘Slieve League Woolen Mill’, ein Verkaufswagen mit Wollschals und warmen Wollmützen, die man heute gut gebrauchen kann. Ein zweiter Wagen offeriert Eis sowie heiße & kalte Getränke, und auch wenn wir frösteln, sehen wir Menschen mit einem Eis in der Hand über den Platz laufen.
Von diesem Rastplatz aus führt ein mit Holzplanken belegter und einem Geländer versehener Weg über den feuchten Untergrund sanft bergan und endet in einem steinigen Gelände, von wo aus es über Stock & Stein zum Grat des Slieve League hochgeht. Bunte Jacken von Wanderern markieren den Pfad. Immer kleiner werdend schwenkt ihre Reihe unterhalb des Gipfels nach links ab, bis man weiter oben auf dem Bergrücken nur noch schmale, kleine Striche sich vorwärts bewegen sieht, die sich im Dunst über dem Gipfel auflösen.
Wir bleiben auf dem beplankten Weg, setzen uns auf eine Bank an seinem Rand. Vom Berg herunter kommen im Laufschritt Soldaten, müssen wohl etwas für ihre Fitness tun. Noch ehe sie den Plankenweg erreichen, stolpert einer von ihnen über einen Stein, legt sich auf die Nase, rafft sich wieder auf und läuft weiter. Uns wird kalt und wir wandern zum Auto zurück, bergab geht es doch deutlich leichter. Nach rechts zum Atlantik hin sieht man in der Ferne einen Martello Tower am Klippenrand, erbaut vor zweihundert Jahren, um vor einem Landungsversuch Napoleons zu warnen. Doch der hatte Besseres zu tun, als den Donegal zu erobern.
Es ist noch zu früh am Tag, um nach Kilcar zurückzukehren, davon abgesehen müssen wir heute noch etwas essen. So fahren wir noch einmal nach Glencolumbkille und kehren auf halbem Weg zwischen dem Dorf und dem Folk Park in einem zum lokalen Gemeindezentrum gehörenden, nüchtern wirkenden Restaurant ein, wo wir gegen halb sechs die einzigen Gäste sind. An Cistin, die Küche, nennt es sich, und der Lachs mit Kräuterkruste, den wir zu einem ausgesprochen ‘reasonable price’ serviert bekommen, ist ganz hervorragend.
steht an der Wand. And so wie do, das machen wir dann auch!
breisetag aus dem Donegal. Auch das Brett unter der Matratze packen wir ein, zur Weiterverwendung in Tully Cross, falls es noch erforderlich sein sollte. Die Verabschiedung von Anne Marie zieht sich mit dem Austausch von Lebensgeschichten sowie Post- und E-Mail-
Dieses Mal lassen wir Yeats Grab links liegen und biegen statt dessen nach rechts zum Lissadell House ab. Eine lange und wie es scheint erst kürzlich angelegte Zufahrt führt zu dem Anwesen. Vom Parkplatz aus gelangt man zu einem nach vorne offenen Viereck, das einst die Stallungen und das Coach House beherbergte und in dem sich um einen Informationsstand herum ein großer Craftshop befindet. Wer noch weiter und das Herrenhaus sehen will – von dem man noch keinen Blick hat erheischen können – muss € 12 pro Person berappen, darin inbegriffen eine 45-
Die Fahrt geht weiter nach Süden: Castlebar – Westport – Leenaun. Nebel über den Bergen Mayos und der Mündung des Killary Harbour. Wir packen unseren Kram ins Cottage zurück und zünden den Kaminofen an.
Reiseberichte Irland: Connemara 2015
© 2016 Jürgen Kullmann – Letzte Bearbeitung: 20.10.16