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ier Fotos bringen wir von unserer Wanderung über das Moor mit zurück, vier Fotos und eine kleine, wohlgeformte Torfsode. Letztere gedacht zum Export nach Nordfriesland, um dort zu einem besonderen Anlass – der nächste Jahreswechsel bietet sich an – in unserem Kaminofen zu brennen. Denn unser Nis Puk möchte wissen, wie es riecht, wenn echter Torf brennt, was er nur noch aus der Überlieferung seiner Vorfahren kennt. Einen Kloben von dem faserigen Bog-
Zum Lunch fahren wir nach Clifden. Mien Deern will unbedingt den Silver Hake probieren, den sie neulich im Derryclare Restaurant auf meinem Teller sah. Unser englisches Schulwörterbuch kennt ihn nicht, er mundet ihr ausgezeichnet. Wir tippen auf Seehecht. Dann reiche ich ihr das Tagebuch hinüber, und sie bringt ein paar Eindrücke über unsere Burren-
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Am Abend gibt es Musik mit Frank & Tony in Molly’s Bar. Sally ist außer Haus, ihr Sohn steht hinter der Bar. Wir erinnern uns, wie er in unseren ersten Irlandjahren als Kind bis Mitternacht die leeren Gläser von den Tischen einsammelte. Auch er erkennt uns. “Junge, was sind die alt geworden”, wird ihm durch den Kopf gehen.
Es wird ein schöner Abend mit vielen Touristen aus dem Hostel gegenüber, die es in Gegensatz zu den einheimischen Pubgängern vorziehen zu lauschen, statt mit ihrer Konversation die Musik zu übertönen. Frank ist gut drauf, er ist lockerer und unbeschwerter, wenn er nicht mit Kieran zusammen spielt. Ein ‘Jüngerer-
Wir hocken uns an ein freies Tischchen gegenüber den Musikern, neben uns ein (noch) älteres Ehepaar aus Dublin. Ihr Sohn besitzt in Letterfrack ein Ferienhaus. Gut, dass es die Deutschen gibt, meinen sie, denn die Iren und ihr Häuptling bräuchten “Angela and the Germans” um die Wirtschaft und die Banken zu retten. Wir lassen das unkommentiert, reden lieber darüber, wie wir hier seit zwei Jahrzehnten Urlaub machen und Irish Music hören. Außerdem tritt gerade eine etwa 12-
ather’s Day in Irland – kein Wunder, dass Roundstone so überlaufen ist. Außerdem findet heute der Sunday Market statt, ein Sonntagsmarkt mit kaum mehr als zwanzig Ständen auf dem Gemeindeanger über der Bucht. Mit dabei sind ein Gemüseverkäufer, ein Bäcker, eine Töpferin im Hochpreissegment, der örtliche Handarbeitskreis Busy Fingers, ein Mädel mit “handcrafted” Modeschmuck und ein Stand der Vereinigung Irish Farmhouse Cheese, vor dem eine Tafel die werte Kundschaft auffordert, in moralischer Verantwortung gegenüber dem eigenen Land nur in Irland hergestellten Käse aus der Milch irischer, auf irischen Weiden grasender Kühe zu kaufen. Wir folgen dem Appell und erstehen für vier Euro einen schmalen Streifen. Ganz schön teuer, aber lecker!
Beim Schlendern durch das Städtchen beobachten wir am Hafen ein Pärchen, das eine Kiste Lebensmittel sowie einem Blumentopf mit einer Tomatenpflanze die glitschige Steintreppe hinab in ein Schlauchboot balanciert und sich Schwimmwesten überstreift. “Great expedition!” ruft die Frau lachend unseren neugierig-
Unsere Expedition führt uns am Nachmittag nach Tully Cross zurück, im Gepäck der Irish Sunday Independent und eine Grußkarte, auf der der irische Way of Life karikiert wird. Die Abendmusik im Angler’s Rest fällt aus, denn morgen findet im Dorf eine Beerdigung statt. So wandern wir rüber ins Paddy Coyne’s, wo es irgendwie gemütlicher ist – auch wenn Gemütlichkeit in der Realität der so gerne und oft besungenen ‘rare old times’ nie zu den Ausstattungsmerkmalen irischer Pubs gehörte, sondern erst mit den Touristen in sie Einzug hielt.
s regnet Bindfäden, und so wird der Tag zum Mal-
Am Nachmittag lässt der Regen nach und wir wandern zum grauen Pebble Strand. Hier wartet eine junge Autofahrerin auf den Pannendienst:
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Zum Abendessen geht es nach Clifden. Mein Mädchen hat sich in die Speisekarte des Derryclare-
Wir lästern darüber. Die Blicke unseres mit seiner Vorspeise beschäftigten Tischnachbarn signalisieren, dass er der deutschen Sprache mächtig ist. Man outet sich: er ist Österreicher, unterwegs mit einem Leihwagen durch den Süden und Westen der Republik. Allein. Seine Lebenspartnerin, erzählt er, wollte immer nach Irland, er nie. Als sie im vergangenen Jahr bei einem Unfall starb, habe er beschlossen, ihr den Wunsch noch zu erfüllen und in diesem Jahr “für sie” zu reisen. Dabei habe sich das Land als “sehr viel weniger schlimm” erwiesen, als er es sich vorgestellt hatte, ganz im Gegenteil. Im nächsten Jahr werde er wiederkommen, sich dann aber deutlich weniger vornehmen als bei dieser ersten Reise.
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Nach einer Odyssee durch Clifden landen wir auf der Flucht vor den Sirenen (irische Hochzeitsgesellschaft) auf ihrem Felsen (Guy’s Bar) gegen halb elf bei E.J. King’s. Dort treffen wir einen einsam musizierenden Michael Carey, Franks Schwiegersohn. Im letzten Jahr war hier um diese Zeit der Bär los, erzählt er, doch momentan sei die Stadt so ausgestorben, dass sich der Pub nur einen Solomusiker leisten kann. Glücklich, ein paar sein Engagement rechtfertigende Zuhörer zu haben, singt er fast nur für uns, alle unsere ‘Favourites’ und was er dafür hält, und schenkt uns beim Abschied nach Mitternacht ein Exemplar seiner soeben veröffentlichten ersten CD. Eine harte Zeit, so eine Rezession, die man auch besingen kann:
’Tis the song, the sign of the weary,
Hard times, hard times, come again no more
Many days you have lingered all around my cabin door
Oh hard times, come again no more.
Und so wünschen wir ihm, dass bald wieder bessere Zeiten anbrechen und er seine Band mitbringen kann.
er fahrende Gemüsehändler parkt vor dem einsamen Cottage am Loch Fidh. Die Schiebetür steht offen. Das Angebot sieht frisch und gut sortiert aus, während wir den Wagen langsam passieren, langsam, weil vor uns eine braune Katze gemächlich die Straße kreuzt und unmissverständlich zum Ausdruck bringt, dass sie das Tempo vorgibt. Vor 150 Jahren hätten wir hier in den Sommermonaten Sir William Wilde und seinem Sohn Oscar beim Angeln zusehen können, denn die Familie des renommierten Dubliner Augenarztes besaß auf der in den See ragenden kleinen Landzunge Illaunroe (irisch: Oileán Rua, die rote Insel) eine Fischerhütte. ‘Lotus Land’ nannte Oscar Wilde den einsamen und friedlichen Ort und widmete ihm 1876 nach dem Tod seines Vaters ein Gedicht:
And in the polished mirror of the lake
My purple mountains see themselves again.
O sad, and sweet, and silent! surly here
A man might dwell apart from troublous fear.
Fern der Ängste des Alltags sind wir via Leenaun, Maum Valley und An Teach Dóite auf dem Weg nach Roscahill, wollen Bridget’s Garden unsere Referenz erweisen, den wir bislang nur von Hinweisschildern am Rande der N 59 kennen. Er liegt, was auf den Schildern nicht verraten wird, ein gutes Stück abseits der Nationalstraße, und erst an der Pforte wird man über den Eintrittspreis von sieben Euro pro Person informiert. Ob er es wert ist? Wir sparen uns das Geld, fahren ein paar Meilen zurück nach Uachtar Ard und geben es dort aus.
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Durch das von den Maamturk Mountains und den Twelve Bens eingerahmt Maum Valley geht es am späten Nachmittag nach Renvyle zurück. Es ist kaum weniger einsamer als das Tal von Inagh, nur bedecken statt eines Sees Moorflächen seinen Grund. Im Dorf Maum wartet ein gelber Bus von Studiosus Reisen auf seine Schäfchen, die er zuvor im Inagh Valley freigelassen hatte und nun auf den Spuren des Heiligen Patrick über den Mám Ean Pass zu uns herüber wandern.
Wir fahren, unterbrochen von einigen Guck-
I am I said
To no one there
And no one heard at all not even the chair …
wird er singen, doch dass niemand ihn hören wird, darf angezweifelt werden. Schließlich kommt Maggy.
ir haben uns an die irischen Tageszeiten gewöhnt. Nach dem Frühstück, sprich kurz vor zwölf, brechen wir in den Connemara National Park auf. Ein kurzer Stopp bei der Post von Letterfrack.
Die Postmeisterin sitzt heute selbst hinter dem Schalter. “Ten for eighty-
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Eine Ausstellung im Besucherzentrum des Nationalparks (Eintritt frei), zeigt die Folgen des Torfabbaus für die irische Landschaft. Vor einer Jahresleiste symbolisiert die Höhe von aufgestapelten Torfsoden die noch vorhandene Moorfläche. Von 1645 bis 1982 sinkt sie kaum, in den acht Jahren von 1982 bis 1990 dann auf die Hälfte. Im Jahr 2050, so die Prognose, wird es in Irland keine Hochmoore mehr geben.
Auch auf Renvyle sieht man Traktoren, die mit schwerem Gerät großflächig Torf abbauen. Mit ihren breiten, seitlich angebrachten Extrarädern, die das Einsinken in den weichen Boden verhindern sollen, sehen sie wie futuristische Mondfahrzeuge aus und hinterlassen eine Spur der Verwüstung. So werden künftige Generationen wohl nur noch ein paar ‘Museums-
Melancholische, mittelalterlich wirkende Klänge klingen an unsere Ohren, als wir zum Eingang des Besucherzentrums zurückkehren. Im picnic corner vor dem Gebäude sitzen drei wilde Gesellen, von denen zwei rauchen und der dritte in ein nach oben gebogenes, mit ein paar Tasten versehenes Horn bläst. Die Töne, die er ihm entlockt, erinnern an eine bretonische Bombarde.
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Am Abend sind wir in Clifden, landen wieder im Derryclare Restaurant und wandern auf der Suche nach Musik zweimal um den Block. Wir suchen Seán Halpenny, den genialen Bodhrán-
uf halbem Weg nach Westport haben wir eine gute Sicht auf Irlands heiligen Berg und finden im richtigen Moment eine geeignete Stelle, um anzuhalten und ihn zu fotografieren. Selbst mit dem etwas schwachen Objektiv der kleinen Digitalkamera lässt sich der ausgetretene Pfad ausmachen, über den die Pilger seinen Gipfel erklimmen. Wie eine tiefe Wunde sieht die Scharte aus.
Dazu ein kleines ‘Erlebnis’, das schon einige Jahre zurückliegt. Zwei Alte im Pub:
Paddy Coyne’s zu Tully Cross. Es ist nicht viel los, zwei kahle Alte an der Theke. Fremd erscheinen sie mir, dann aber auch wieder sehr bekannt. Ich hole noch ein Glas Lebenswasser. Mit dem kommt die Erleuchtung:
Wenn die kahlen alten Berge Connemaras und Mayos im Dunkel der Nacht verschwinden, verwandeln sie sich in kahle alte Männer, wandern in die Pubs, genehmigen sich ein oder zwei Pint Guinness und diskutieren über die gute alte und schlechtere neue Zeit. “Mein Heiliger hat mir ganz schön was eingebrockt, als er vor ein paar Jährchen zu mir hoch kam”, seufzt der alte Croagh Patrick. “Seht nur, wie zertrampelt ich seither bin”. Er kratzt sich den wunden Rücken. “Ja, ja, eine harte Zeit”, stimmt ihm Maol Réidh zu. “Als wenn du Grund zu klagen hättest”, protestiert Paddy, “die paar Schwarzbrenner, die sich zu dir hoch wagen, geben sich alle Mühe keine Spuren zu hinterlassen, während man meine Wunden noch jenseits der Clew Bay sieht. Scheiß Heiliger und Scheiß Touristen!” “Ach was”, gibt ihm Maol Réidh einen Tipp, “schlaf morgen durch und deck dich mit ein paar Wolken zu, dann lassen sie dich in Ruhe.”
In Westport fahren wir zur Clew Bay hinunter und wandern auf der Trasse der ehemaligen Lokalbahn zwischen Hafen und Bahnhof in die Stadt. Doch warum will meine Begleiterin den Umweg über den Parkplatz hinter dem Ortszentrum machen, wo wir doch zu Fuß sind? Der Groschen fällt: da steht das White Whyte House*, und in dieser Woche sollte dort der Big Sale beginnen. Alles 30 % billiger, lautet das Versprechen auf einem Plakat.
Ich warte ein Weilchen vor dem Laden und beobachte einen sich Autos ohne Parkschein notierenden älteren Herrn. Ob da für uns noch etwas nachkommt? Als wir vor zwei Wochen auf den Platz fuhren, hatten wir uns über die offene Schranke gefreut, aber nicht begriffen, dass man statt bei der Ausfahrt zu zahlen nun Parkscheine ziehen und hinter die Windschutzscheibe legen muss. Ob ich den gestrengen Herrn einmal frage, was passiert, wenn er auf einen schwarz parkenden Leihwagen stößt?
Doch da werde ich in den Laden befohlen und die Modeschau beginnt. Mit 154 Euro weniger im Portemonnaie und einer Einkaufstüte in der Hand wandern wir zwei Stunden später die Old Railway Road zum Hafen zurück – mit dem schönen Gefühl, 30 % sprich 65 Euro gespart zu haben.
Das verspätete Mittagessen nehme wir nicht wie üblich im The Towers an der Wasserkante ein, sondern auf der anderen Straßenseite im etwas dunklen Restaurant Asgard – die Speisekarte sah irgendwie interessanter aus. Mit der sechzehn Meter langen Segelyacht Asgard schmuggelte Erskine Childers, der Autor unseres aktuellen Am-
Von Westport aus geht es nach Louisburgh. Der Ort mit seiner großen Kreuzung wirkt wie ausgestorben. In einem kleinen Supermarkt erstehen wir eine Flasche Wein, mit dem wir uns durch das einsame Tal zwischen den Sheeftry Hills und Maol Réidh Mountains auf den Heimweg begeben. Die Flasche wird am Abend vor dem Torffeuer beim Vorlesen aus dem Rätsel der Sandbank geleert, mien Deern strickt derweil an meinem Pullover.
* Siehe: 8. Juni 2011
och einmal fahren wir nach Clifden, bummeln noch einmal durchs Städtchen und lunchen noch einmal im Derryclare Restaurant. Ein schrecklicher Begriff, dieses ‘noch einmal’, der sich um so häufiger einschleicht, je näher das Urlaubsende kommt, um dann die Bedeutung ‘zum in letztes Mal in diesem Jahr’ anzunehmen. Man sollte ihn verbieten, er macht so melancholisch.
Woraus der geneigte Leser schließen kann, dass unser letzter Urlaubstag angebrochen ist. Und so schließe ich auch dieses Tagebuch und verrate nur noch, dass wir am Abend noch einmal ins Renvyle House fahren um noch einmal der Musik von Frank & Kieran zu lauschen.
Reiseberichte Irland: Connemara & Burren 2011
© 2012 Jürgen Kullmann – Letzte Bearbeitung: 29.11.2012