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lles hat geklappt: der Flieger war pünktlich und ein erst wenige Monate alter Nissan Micra wartet am Flugplatz auf uns. Nur wenige Meilen bis Limerick, die ‘schmutzige alte Stadt’ am Shannon. Wir passieren den Fluss, grau wie die Stadt, und sind zum ersten Mal im County Kerry, unterwegs nach Dingle. Hier im Süden sind die Straßen besser als in Connemara, wenngleich etwas langweiliger – ohne Sheep Ahead! und die berühmten Connemara Pot Holes, bei denen man so herrlich die Trefferquote zählen kann. Doch weiter die Dingle-
Mit etwas Glück und Zufall, respektive dem phänomenalen Orientierungsvermögen meines Mädchens, haben wir unseren Zaunkönig bzw. An Dreoilín, wie sich unser Guesthouse nennt, fast auf Anhieb gefunden. Sehr nette Zimmer, von dem Loch in unserem Bettgestell einmal abgesehen, das wir mit Kissen stopfen.
Der Name ‘An Dreoilín’, engl. ‘The Wren’ und deutsch ‘Der Zaunkönig’, passt zu einem Guesthouse in Dingle, doch da die Stadt das Tor zur Corca Dhuibhne Gaeltacht ist, werden wir sie von nun an An Daingean nennen. An Daingean bedeutet ‘die Festung’ und ist berühmt für seine Wren Boys, maskierte Jugendliche in Fantasiekostümen, die am St. Stefansstag in einem mit Bändern geschmücktem Strauch einen Zaunkönig vor sich her tragen und mit viel Geschick komplizierte Stepptänze aufführen, bis sich die Hausfrau ihrer erbarmt:
Der Zaunkönig, der kleine Wicht
Saß Weihnachten im Ginster dicht,
Und ward gefangen,
Mit Spießen und Stangen.
Hausfrau, hast du Wein und Braten,
Spendier uns was, sei dir geraten!
Häng auf den Kessel, hol Eier und Fisch,
Gib uns ’nen Schilling, sonst geh’n wir nicht.
Und so finden wir im Treppenhaus unseres Zaunkönigs eine wahre Galerie mit alten und uralten Fotos, auf denen die Wren Boys durch An Daingean ziehen.
Unser Landlord, der fear an tí, heißt Aodán und des weiteren folglich nicht Kennedy, sondern Ó Cinnéide. Seine Sprache klingt arg ‘vernuschelt’ für deutsche Ohren. Als wir ihn später mit der Dame des Hauses, der bean an tí, reden hören, haben wir den Eindruck, dass sich beide auf Gälisch unterhalten, doch so ganz sicher sind wir uns da nicht.
Voll ist es in dem Städtchen. Die etwa 1500 Einwohner scheinen sich vervielfacht zu haben, doch das liegt wohl am Bank Holiday Weekend. In einem musiklosen Pub stärken wir uns zunächst an der Bar mit Food, mein Mädchen, ihre Cousine und ich. Barfood, das geht heutzutage längst über Sandwichs hinaus, und mitunter gibt es das gleiche wie im Restaurant ein Stockwerk höher – nur etwas preiswerter und in viel interessanter Atmosphäre. Anschließend einen Pub mit Musik zu entern ist für uns gar nicht so einfach – wenn es draußen besonders gut klingt, bekommen wir keinen Fuß hinein. Also schließen wir einen Kompromiss und landen in einem Pub, in dem die Musik nicht ganz so berauschend ist – die Getränke schon eher.
ls ‘Early Birds’ sind wir die Ersten beim Frühstück, das zwischen 9.30 und 10.00 Uhr serviert wird. Irische Zeiten. Ein solides irisches Frühstück, von Aodán, dem Hausherrn, serviert und seiner Landlady nebenan in der Küche zubereitet. “Wojuwonn?” fragt er, was wir als ‘what do you want’ interpretieren. Und die Getränke? Mein Mädchen überredet mich zu Tee. Eine weise Entscheidung, ihre Cousine ist vom Kaffee weniger begeistert. Doch sanfte irische Musik aus einem Deckenlautsprecher tröstet darüber hinweg.
Wir machen einen Rundgang durch An Daingean. Bunte Häuser und vor allem eine lange Straße, die sich über den Hügel zieht, während unten an der Pier die Fischkutter vor Anker liegen. Unser Zaunkönig liegt nahe der Kreuzung bei der ‘Kleinen Brücke’, wo es links zum Conor Pass hoch und rechts zum Hafen hinunter geht. Noch ist es ruhig im Städtchen, an diesem sonnigen Pfingstsonntagmorgen. Die ersten Läden und Craftshops öffnen gerade. Als erstes erstehe ich eine Beschreibung des Lebens auf den Aran Inseln aus dem Jahre 1934. Der Autor ist Tom O’Flatherty, ein Bruder von Liam O’Flatherty, dem Verfasser des Romans über die Hungersnot von 1848. Wie sein Bruder hatte Tom zunächst viel für die russische Revolution übrig und wandte seine Sympathie später den Trotzkisten zu. Es gäbe da auch noch einen Film, The Men of Aran, erzählt uns die Verkäuferin, doch den kennen wir schon, er erinnert uns zu sehr an deutsche Blut-
Am Nachmittag fahren wir entlang der Küste zum Blasket Heritage Centre nach Dún Chaoin oder Dunquin, wie es auf Englisch heißt. ‘Schmuckes Fort’, könnte man auf Deutsch sagen. Arg viel Verkehr auf der schmalen Straße, und besonders viele Coach-
Die Große Blasketinsel, An Bhlascaod Mór, ist nicht nur eine geographische Insel: bis zu ihrer Räumung im Jahr 1952 war sie auch eine Sprachinsel, auf der ausschließlich Gälisch gesprochen wurde, erfährt man im Heritage Centre. Womöglich wüsste heute kaum noch jemand etwas von dem Leben auf der Insel, wären nicht zu Beginn des Jahrhunderts der Norweger Carl Marstrander und der Engländer Robin Flower – Bláithín, Blümchen, nannten ihn die Insulaner – dort gelandet um Gälisch zu lernen. Und weder Tomás Ó Criomhthain noch Muiris Ó Súilleabháin noch Peig Sayers hätten ihre Lebensgeschichten aufgeschrieben bzw. diktiert, mit denen sich heute viele Schüler im Gälischunterricht herumschlagen – oft nicht freiwillig, wie uns ein Mann aus Dublin verriet, der sich als Opfer fühlte. Doch zunächst einmal musste man die künftigen Literaten zum Schreiben bringen. So hielt Tomás Ó Criomhthain sein Leben und das der Inselbewohner für zu unbedeutend um zur Feder zu greifen, bis ihm Robin Flower die Autobiographie Maxim Gorkis zu lesen gab und einen Waterman-
200 Einwohner hatte die Große Blasketinsel in ihrer ‘Blütezeit’ und die Literaturproduktion ging weiter, auch wenn nicht alles von gleicher Qualität war. Heute ist die Insel verlassen, doch mit dem, was erschienen ist, kann man ein halbes Bücherregal füllen. Vieles wurde ins Englische übersetzt und einiges später aus dem Englischen ins Deutsche. Das meiste davon sehen wir hier unter Glas, manches kann man auch im Craftshop des Heritage Centers kaufen.
Zurück nach An Daingean. Das Abendessen ist recht anstrengend, wenn man mit zwei cailíní, sprich Mädchen, an einem Tisch sitzt, denen es nicht nur nicht schmeckt, sondern die es mit ihren Mienen auch aller Welt kundtun. Also legen wir Servierten über die Mahlzeit und halten nach einem Pub mit Musik Ausschau.
ach dem Frühstück wollen wir über einen alten Fußweg – auf unserer Karte als gestrichelte Linie eingezeichnet – auf den Conor-
Wir wollen jedoch den Fußweg abseits der Straße nehmen. Solange er mit dem als Wanderweg empfohlenen Slí Chorca Dhuibhne, dem sogenannten Dingle Way, identisch ist, bereitet das Unternehmen keine Schwierigkeiten – abgesehen von gelegentlichem Moder, in dem wir mit unseren Schuhen versinken. Nach einer Weile zweigt der offizielle Weg rechts ab und nach einer weiteren halbe Meile scheitern wir kläglich an einem übermütigen Gebirgsbach, der unseren Weg kreuzt und ihn anschließend mitbenutzt. Was nun? Ohne Gummistiefel und mit eher schwachen Sprunggelenken ausgestattet, stapfen wir lieber zum Slí Chorca Dhuibhne zurück und gehen ihn weiter bis zur Straße von Abhainn an Scáil nach An Daingean. Erneut kreuzt ein Gebirgsbach unseren Weg, doch diesmal werfen respektive rollen wir einige Steinbrocken ins flache Wasser und auch unsere Dritte im Bunde (in ganz Irland bekannt für den fachgerechten Ab- und Wiederaufbau von Steinwällen, die sich ihr in den Weg stellen) kommt hinüber. Dann geht es zurück nach An Daingean.
Mit noch müden Beinen aber wieder trockenen Fußes fahren wir am Nachmittag mit dem Auto auf den Conor-
Vielleicht eine halbe Meile weiter im Norden gibt es rechts der Straße unterhalb eines Wasserfalls eine weitere Haltemöglichkeit. Über Fels- und Gesteinsbrocken klettern mein Mädchen und ich den Hang zu einem kleinen See hoch, hinter dem sich eine Felswand aufbaut. Hier sitzen wir auf einem Stein und beobachten die Molche im Wasser. Loch an Pheidléar, heißt der See, was ich mit Hilfe meines Wörterbuchs als See des Hausierers übersetze. Ob in alten Zeiten zu aufdringliche Angehörige dieser Zunft hineingeworfen wurden? Oder ein Hausierer aus unerfüllter Liebe zur Tochter eines Ladenbesitzers in An Daingean ins Wasser ging? Dann müsste der Vogel, der dort über dem Wasser kreist, die Tochter sein. Gerne würden wir noch verweilen, doch im Auto wartet Gisela.
Am Abend sind wir wieder im Ort und halten nach einem Pub mit Musik Ausschau. Im ersten, vielleicht 50 Yards von unserem Zaunkönig entfernt, machen zwei Burschen zwar gute Musik (besonders der mit der Uillinn Pipe, dem irischen Dudelsack), doch der Sänger singt hundserbärmlich. Gisela gibt auf und mein Mädchen überredet mich zu einem Spaziergang zum Hafen hinunter, wo sie in einem Pub nahe bei den Musikern – ein exzellenter älterer Fiedler und ein Gitarrist – zwei Hocker ergattert, derweil ich einen Paddy und ein Pint Guinness besorge. Gerade als wir hereinkommen, gesellen sich zu ihnen zwei Gäste. Einer der beiden packt eine Art Mandoline aus, während der andere den Gesangspart übernimmt. Und singen kann er tatsächlich, auch wenn ihm dann und wann der Text ausgeht. Er mag mehr die flotteren Lieder: als der Fiedler ihn zu Spencil Hill überreden will und die Melodie anspielt, ist ihm das Lied völlig unbekannt. Zum Trost stimmt er gemeinsam mit seinem Freund und einem weiteren auftauchenden Bekannten a cappella einen mehrstimmigen ‘fishing-
ir setzen uns ins Auto und fahren über den Conor-
Ein stilles Dörfchen, und wir machen uns zu Fuß nach Lough Gill, einem Naturschutzreservat, auf. Durch einen breiten Schilfgürtel, in dem sich zwei oder drei Boote verstecken, führt ein Steg ans offene Wasser. Drei Schwäne erheben sich von der Wasseroberfläche, und nach ihrer Anstrengung zu urteilen ist ihr Startgewicht beachtlich.
Später fahren wir durch eine Dünenlandschaft auf die Halbinsel von Caisleáin Ghriaire – vorbei an vielen hässlichen Caravan-
Tralee ist die Hauptstadt vom County Kerry und besitzt einen Flugplatz, der boshaften Zungen zufolge ausschließlich dazu dient, Dick Springs – seines Zeichens Vorsitzender der Labour Party, Außenminister und Tánaiste (stellvertretender Regierungschef) – nach Dublin und zurück zu bringen. Denn Dick ist ein ein ‘Kerryman’ aus Tralee.
Die ‘Kerrymen’ haben in den irischen Witzen den Part der Ostfriesen übernommen, wer von wem gelernt hat, bleibt offen. Ein kleines Beispiel:
Zollbeamter: Irgendwelche Pornographie in Ihrem Koffer, Sir?
Kerryman: Wie denn, was sollte ich wohl damit? Ich besitze nicht mal einen Pornographen um sie abzuspielen.
Zurück nach Tralee. Wir besichtigen nicht den Flugplatz, sondern besuchen die Ashe Memorial Hall, in der das hiesige Heritage Centre untergebracht ist. Im oberen Stockwerk geht es um die Geschichte Irlands vom Jahre 8000 v. Chr. an bis in die 50er Jahre. Ein paar problematische Stellen übergeht man dezent, zum Beispiel von welcher Seite Michael Collins umgebracht wurde. Im Untergeschoss eine Fahrt in kleinen Wägelchen durchs mittelalterliche Irland, nach der Art der Dublinia bei der Christ Church in Dublin, nur alles eine Nummer kleiner.
Tralee selbst ist alles andere als schön und reizt auch nicht zum Shopping, doch der Besuch in der Ashe Memorial Hall hat sich gelohnt. Und so geht es am späten Nachmittag wieder zurück nach An Daingean, diesmal nicht über den Conor-
Nach dem Abendessen hocken wir in einem Pub unten am Hafen und der Sänger kann auch singen. Desgleichen ein Gast, der Ride On zum Besten gibt, und das freut besonders Gisela, die Besitzerin der größten Christy Moore Sammlung zwischen Ennepetal und Schwelm. Der Pubkeeper und seine Landlady sind ausgesprochen sympathisch, beide finden es offensichtlich lustig, wie bei uns der Geldbeutel von Order zu Order die Runde macht. Also bleiben wir, bis der Pub schließt.
er Vormittag zeigt sich wieder einmal grau und verhangen, vielleicht das richtige Wetter für die Große Blasketinsel! Unterwegs bestehe ich auf einem kurzer Stop in Ceann Trá um das dortige Postamt zu fotografieren. Ceann Trá, englisch Ventry, bedeutet wörtlich Kopf des Strandes, ein Name der passt, denn unterhalb des Ortes liegt der größte Sandstrand auf dieser Seite der Dingle-
Mehr als 100 Jahre später fahren wir nun die Dingle-
Also fahren wir weiter über Dún Chaoin nach Baile an Fhirtéaraigh, ein Ort, den man gleichfalls aus den Büchern der Blasket-
Am Nachmittag fahren wir mit dem Auto an den nicht weit entfernten Strand von Cuan Ard na Caithne, ‘Smerwick Harbour’ könnte man auch sagen, klingt aber nicht so schön. Ein Horde Kinder tobt am Wasser. Da ruft ein Mädchen etwas von einem ‘Lift to Ballyferriter’ – und im Guinness Buch der Rekorde ist nachzutragen, wie viele Kinder in einen VW Polo passen.
Gegen Abend geht es nach An Daingean zurück. Im abendlichen Gegenlicht mache ich von der Klippe bei Dún Chaoin aus ein Foto von der Großen Blasketinsel. Eine Silhouette im Meer, seit mehr als 40 Jahren verlassen, doch die Reste des Dorfes erkennt man auch jetzt noch.
Nach dem Abendessen sind in einem kleinen Pub an der Kleinen Brücke ‘Songs’ angekündigt. Da die Sänger offensichtlich ausbleiben, müssen Wirt und Wirtin selbst ran und machen ihre Sache besser, als manch ein ‘regulärer’ Sänger: die Wirtin in einer Ecke des Pubs mit gälischen Balladen und der Wirt auf seinem Stuhl hinter dem Zapfhahn mit Auswandererliedern:
By the rents were getting higher,
And we could no longer stay,
So farewell unto ye bonny, bonny
Sliabh Gallion braes.
m letzten Jahrhundert besuchte Königin Victoria die Seen von Killarney. Kein Grund, es ihr gleich zu tun, doch da wir schon einmal im Süden sind, wagen auch wir uns ins Mekka des Irland-
Etwa 50 km sind es von An Daingean nach Killarney oder Cill Áirne, der ‘Kirche bei den Schlehen’. Wir fahren über schmale Straßen, genießen die Aussicht auf die Dingle Bay und den Ring of Kerry. Killarney selbst sollte man meiden: Straßenzüge mit aneinandergereihten Hotelburgen, laut und rummelig. Zum ersten Mal sehen wir die südirischen Sidecars. Die Passagiere sitzen Rücken an Rücken seitlich zur Fahrtrichtung, was den Vorteil haben soll, dass man im Falle des Umkippens noch schnell vom Wagen springen kann. Hier in Killarney dienen sie vor allem dazu, die Hotelgäste zu den Seen hochzukutschieren.
Muckross House, Muckross Gardens und das, was wir von den Seen zu sehen bekommen, ist in der Tat beeindruckend: das grüne Irland aus dem Bilderbuch. Doch leider herrscht kein Bilderbuchwetter, so dass aus Bilderbuchfotos nichts wird. Muckross House wurde 1843 im Tudorstil erbaut und liegt in einer 4000 ha großen Parklandschaft mit wundervollen Gärten, die sich bis ans Seeufer erstrecken. Aus einem für 30 pc erhältlichen Heftchen haben wir uns den sogenannten ‘kleinen Weg’ herausgesucht, der über eine Landzunge zwischen zwei Seen zu einem Cottage führt, in dem sich ein Café-
Gleich neben dem großen Parkplatz am Muckross House hat man in einem Freilichtmuseum typische Bauernhäuser der Jahrhundertwende rekonstruiert. Zunächst gelangt man zu einem kleinen Hof, der typisch für bäuerliche Anwesen von maximal 8 ha war. Wohn- und Wirtschaftsräume sind aneinandergebaut und bilden eine durchgehende Zeile. Der Besitzer lebte von der Milchwirtschaft und vom Kartoffelanbau. Wir betreten das Wohnhaus. Am Torffeuer sitzt eine Bäuerin, die uns die Frage nach dem bastable oven beantworten kann, der in so vielen Geschichten auftaucht und den wir bisher in noch keinem Wörterbuch gefunden haben. Es handelt sich um einen schwarzen eisernen Topf mit Deckel, der an einer Kette über dem Torffeuer hängt und in dem sich, wovon wir uns überzeugen dürfen, ein hervorragendes Brot backen lässt. Doch Torf wurde – und wird – nicht nur als Brennmaterial verwendet, auch das Strohdach ruht auf Torfsoden.
Wir verlassen den Hof und gelangen zu einem echten Cottage. Nur die Häuser der Landarbeiter wurden im ländlichen Irland Cottage genannt, heute sind es eher die Ferienhäuser der Touristen. Auf dem Feld dahinter pflügt ein Bauer mit seinem Pferd den Acker, derweil wir eine Farm der nächst höheren Kategorie betreten, einen Besitz von etwa 16 bis 20 ha, auf dem zumeist Milchwirtschaft betrieben wurde. Die in einer Reihe angeordneten Nebengebäude liegen parallel zum Wohnhaus, der dazwischenliegende Platz dient als Hof. Ein Gehöfttyp, der vor allem für Munster typisch war.
Schließlich kommen wir zu einem Großen Hof. Solche Anwesen von bis zu 40 ha gab es in Leinster und Munster und in einigen Gegenden Connaughs. Wohn- und Nebengebäude sind im Rechteck um den Hof angeordnet. Neben der Milch- und Kartoffelwirtschaft wurde hier auch Getreide angebaut. Im Haus kocht man indes nicht mehr über dem offenen Torffeuer, sondern auf einem massiven, schwarzen Eisenherd, der jedoch, wie uns die vom Tourist Board angestellte Bäuerin verrät, hundsmiserabel heizt.
Am späten Nachmittag fahren wir nach An Daingean zurück. Mit müden Füßen hocken wir am Abend in der Lounge eines Pubs, den Musikanten gegenüber. Der Rest der Lounge wird von einer Horde junger Mädchen in Anspruch genommen, und nach vielen Anläufen gelingt es den Musikern vier von ihnen zu einem Set Dance zu überreden, den sie gekonnt und in einem Wahnsinnstempo auf die Fichtendielen legen. Sie scheinen noch etwas vorzuhaben, denn eine von ihnen, die an unserem Tisch sitzt, schaut laufend auf die Uhr und schüttet in einer Art Sturztrunk die dritte Flasche Bulmers in sich hinein. Dann verlässt die Bande fluchtartig den Pub. Auch wir gehen, haben es jedoch weniger eilig.
ür unseren letzten Tag auf der Dingle-
Ein netter Café-
Bergauf und bergab geht es über schöne, jedoch schmale und kurvige Straßen auf die Nordseite der Dingle-
Weiter geht es, über das letzte schmale Straßenstück den nördlichen Ausläufer des Mount Brandon hoch, der, wenn ich mich nicht irre, der höchste Berg der Dingle-
Den Rückweg nehmen wir über den Conor Pass, ein weiteres und für dieses Jahr zum letzten Mal. Auf der Passhöhe wird der Sturm so heftig, dass einem nach dem Aussteigen der Atem wegbleibt. Dennoch mache ich aus dem Windschatten des Autos heraus noch ein Foto.
Abends in An Daingean sitzen wir wieder im Pub und lauschen Tony Small & Co. Co, das sind ein Fiedler und ein Flötist, derweil Tony, der Mann mit der Wollmütze, singt und Gitarre spielt – alles ohne Mikrofon und Verstärker. Wir sitzen auf etwas unbequemen Höckerchen direkt neben den Musikern, und als Tony ‘The Town I Loved So Well’, Phil Coulters berühmten Derry Song anstimmt, wird es leise im Pub:
Now the music’s gone but they carry on
For their spirit’s been bruised, never broken.
They will not forget, but their hearts are set
On tomorrow and peace once again.
For what’s done is done and what’s won is won,
And what’s lost is lost and gone forever.
I can only pray, for a bright, brand new day
In the town I loved so well.
John Hume* hätte mitgesungen.
* John Hume, Vorsitzender der nordirischen Social Democratic Labour Party (SDLP), bekam drei Jahre später den Friedensnobelpreis. Er stammt aus Derry und Tony sang sein Lieblingslied.
Reiseberichte Irland: Dingle Peninsula 1995
© 1999 Jürgen Kullmann – Letzte Bearbeitung: 28.04.2006