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ber die Fahrt vom Flughafen in den Westen schweige ich mich aus. Fast. So unerquicklich war schon lange keine Anreise mehr gewesen. Zweimal auf einem der Autobahnkreisel falsch abgebogen, landeten wir fast bei Molly Malone in Dublin’s Fair City, ehe wir westward bound auf der N 4/M 6 waren. Peinlich! Am Ende der M 6 in Galway dann das gleiche Theater! Sind wir bald zu alt für Irland? Beim Lidl statten wir uns für 120 Euro (davon € 40 für Wein und Guinness) mit Lebensmitteln aus, dann geht die Fahrt weiter.
Doch auch andere Touristen haben bei ihrer Anreise Probleme. Im Inagh Valley startet nach einem Fotostopp ein paar hundert Meter vor uns ein Mietwagen vom linken Straßenrand und fährt dann rechts weiter – nicht ohne den Seitenwechsel durch Blinken angekündigt zu haben. Zu weit voraus, als dass wir ihn warnen könnten. Eine ganze Weile sehen wir ihn noch auf der rechten Straßenseite, bis dem Fahrer etwas ein- oder auffällt und er abrupt auf die linke zurückschwenkt.
Um 5 Uhr am Nachmittag sind wir in Tully Cross, und gegen sechs ist unser Cottage wieder in ein PC (Personal Cottage) zurückverwandelt. Fehlende Stühle müssen wir dieses Mal nicht einklagen. Die Glühbirne in der Deckenlampe ist nach einem Jahr immer noch defekt und im ehemals offen Kamin ein Ofen im Retrolook installiert. Ein Bilberry Stove mit einer Heizleistung von 8 KW, wie wir der im Schrank gefundenen Anleitung entnehmen, in der detailliert beschrieben ist, wie man ihn als Bausatz aus zahllosen Einzelteilen zusammensetzt.
Der Begriff Retrolook passt auch zu unserem Leihwagen, ein erst im März zugelassener Fiat 500 mit gut 8.000 km Laufleistung, der bei Hertz Ireland in die Kategorie ‘Opel Corsa oder ähnlich’ fällt. Ein schlaues Auto! Immer, wenn auf der Autobahn die digitale Tachonadel die 120 km/h-
Heute und morgen, steht in der am Flugplatz erworbenen Zeitung, findet in Irland der diesjährige Sommer statt. Da heißt es sich sputen, um etwas davon mitzubekommen. Also sitzen wir mit Brot, Käse und Guinness in der Abendsonne vor dem Cottage und betrachten unser Universum: The Cross of Tullycross. Gerard kommt mit einem welcome back aus seinem Pub und fragt, wann wir angekommen sind, dann schaut Anne Jack vorbei und wir werden unser Präsent los. Mit dem Stove im Kaminloch, verspricht sie, wird unsere Ölrechnung drastisch sinken – selbst wenn wir ihn nicht nutzen, denn so heize man nicht mehr durch den offenen Kamin das halbe Dorf mit.
Am Abend ist im Angler’s Rest Musik angesagt, doch erst um elf. Das ist uns zu spät, immerhin sind wir nach Tullycrosser Ortszeit seit halb fünf in der Früh auf den Beinen. So machen wir es uns im Cottage gemütlich und testen den neuen Ofen. Es dauert lange, sehr lange, bis er brennt, doch dann heizt er wie der Teufel. Der heutige Ölverbrauch: 0 Liter.
uf dem Weg nach Tully rutsche ich mit dem rechten Fuß vom Straßenrand und gleite die Böschung hinab. Zum Glück ist der Graben trocken. Nach einer Vom-
Die Tür des Tankstellenladens von Tully steht offen. Wir treten ein, nicht weil wir etwas brauchen, sondern um zu schauen, ob sich seit dem letzten Jahr etwas geändert hat. Im Zeitschriftenregal rechts vom Eingang liegt ein Buch mit Gedichten von Daniel Sammon, einem der beiden Brüder des Schankwirts vom Angler’s Rest – nicht der Autoschrauber, sondern der mit den Connections zur Fianna Fáil. Ich bin versucht sein Werk zu kaufen, und sei es nur wegen einem Gedicht über Paddy Coyne’s Pub, auf das ich beim Durchblättern stoße. Doch schon am ersten Tag den Urlaubsetat für Bücher anbrechen? Es bleibt beim Irish Sunday Independent.
Mit dem schmerzenden Knöchel erscheint der Weg zum Renvylestrand zu weit, und so wandern wir – was mich betrifft leicht humpelnd – den Weg neben dem Laden zum Kai hinunter. Von dort führt linkerhand ein Pfad zu einer kleinen versteckten Bucht. Felsformationen ragen aus dem Sand, die bei Flut vom Wasser umspült werden. Klettert man sie hoch, gibt es ein paar schöne Plätze zum aufs Meer Schauen, Lesen, Schreiben und Träumen, doch mit einem lädierten Fußgelenk scheidet das aus.
So lassen wir uns dreißig Meter landeinwärts auf einer Grasbank nieder und unsere Blicke über die Renvyle Bay zu den Bergen Mayos schweifen, aus denen im Nordosten im leichten Dunst gerade noch erkennbar die Spitze des Croagh Patrick hervortritt. Drei Möwen streiten sich unbeeindruckt von den menschlichen Beobachtern mit großer Ausdauer um etwas, was sich uns nicht erschließt. Dann ziehen zwei der Krakeeler weiter und es herrscht wieder Frieden. In der Ferne verhallt ihr Kreischen.
Hildegard an Gisela – Brief aus Irland
iebe Gisela — ‘Völlig überraschend’ verbringen wir wieder einmal den Juni in Tully Cross, und so schicke ich dir auf unsere altbewährte Weise, das heißt handschriftlich auf Papier, einen Urlaubsgruß.
Die wesentliche Neuerung in Cottage No. 1 habe ich in einer kleinen Skizze festgehalten. Zunächst war ich skeptisch, aber das Ding ist Gold wert. Falls du es auf der Zeichnung nicht erkennst: unter dem einst offenen Kamin steht ein kleiner englischer Gusseisenofen. Das große Loch nach oben ist zu, stattdessen führt jetzt ein Ofenrohr hoch. Bei Wind pfeift es nun im Ofen, und es bläst nicht mehr aus den Kamin heraus in den Raum. Er wärmt so gut, dass wir die Ölheizung in den ersten zwei Tagen nicht einmal in Betrieb genommen haben. Briketts müssen wir zwar kaufen, doch der Torf kostet nichts.
Als wir vor ein paar Jahren im Donegal das Haus einer Familie L. aus Moers okkupierten, stand dort auch so ein Gusseisenofen in einem ursprünglich offenen Kamin. Hier in Irland und speziell in Connemara braucht es für alles etwas länger. Von offenen Kaminen sind wir jetzt bei Gusseisenöfen angelangt. Den aufrechten Gang kennt man hier schon länger (auch wenn der eine oder andere insbesondere beim Verlassen von Pubs noch übt), doch vermisst man, wie gehabt, immer noch gewisse handwerkliche Fähigkeiten als da wären Präzision, Qualität und Gründlichkeit. Das gilt nicht nur für Handwerker. Am ersten Tag habe ich die von unseren Vormietern hinterlassene Asche aus dem Ofen geschaufelt – vier Mal musste ich den Aschekasten füllen, bis er geräumt war! Da hatte der Superviser der Cottages wohl arg geschludert.
Mal sehen, wie lange der kleine Ofen hält. Bei Patrick Sammon (einer der Direktoren von Renvyle Thatched Cottages) steht ein ähnliches Modell im Pub, nur etwas größer. Ob man als Prämie einen obendrauf bekommt, wenn man neun Öfen für die Cottages bestellt …?
Unser diesjähriger Leihwagen ist ein Fiat 500. Ziemlich klein, aber nagelneu. Außen weiß und innen im Retrolook, hat er rote Sitze, schwarze Verkleidungen und ein cremefarbenes Armaturenbrett. Die 50er und 60er Jahre lassen grüßen! Angela hatte mal ein kleines, cremefarbenes Radio von Saba. Es hieß Sabrina und sah so genauso aus. Vor dem hockten wir immer und hörten die Hitparade von Radio Luxemburg.
Im nächsten oder übernächsten Jahr sollen die Cottages nach hinten raus einen Anbau mit einer neuen, größeren Küche bekommen. Wie das aussehen wird, kann ich mir nicht so recht vorstellen, ist vielleicht auch besser so. Bei der Gelegenheit ist ein Refurbishment und Upgrade vorgesehen, sagt Anne Jack, desgleichen vermutlich bei den Rental Rates. Hoffentlich findet zuvor auch ein Upgrade der Craftsmanship statt!
Aber egal! Mit Hilfe des Inhalts unserer Reisetaschen vom Dachboden haben wir das Cottage wieder hübsch gemacht, und die Mängel blenden wir einfach aus. Wir fühlen uns wohl und haben für uns das relaxende Easygoing wiederentdeckt.
Gestern Abend haben wir Frank und Kieran im Angler’s Rest genossen. Musikalisch, meine ich. Dein Tom stand auch an der Bar, und Onkel Jochen wird überhaupt nicht älter. Erst nach Mitternacht ins Bett gekommen, hat das mit dem Ausschlafen heute Morgen noch nicht geklappt, so dass wir jetzt etwas müde sind. Wir kommen gerade aus Clifden zurück, konnten aber wegen des heftigen Regens nicht alle Wandlungen der letzten elf Monate begutachten. Das Derryclare Restaurant hat dichtgemacht und steht zum Verkauf. In einem neuen Haushaltswarengeschäft (vielleicht ist es auch nur umgezogen) erstand ich eine Bratpfanne und eine Klobürste. Spende fürs Cottage!
Womit wir beim Wetter sind. Es regnet in Strömen, aber bis gestern Abend waltete der Sommer. Das haben die Midges genutzt und mich völlig aufgefressen. Es juckt so teuflisch, dass ich jetzt Schluss machen und die Stiche behandeln muss.
Viele Grüße auch von meinem Jürgen,
der so gut in diese Gegend passt.
Tschüss und alles Gute
Hildegard”
egen hat der Wetterbericht für heute angesagt, doch war der nicht auf gestern vorgezogen worden? In Leenaun ist es trocken, der Himmel grau mit Lichtflecken über dem westlichen Horizont. Jetzt bei Ebbe ist der Killary Harbour an seinem Ende fast leergelaufen, vor uns Wasserlachen und rotbrauner Seetang, zwischen dem sich ein von den Bergen kommendes Rinnsal den Weg zum Meer sucht – ein Priel, würde man an der Nordsee sagen.
Kein “welcome back” im Leenaun Cultural Centre jenseits der Brücke über den River Lahill, wie sich das Flüsschen stolz nennt. Michael ist vermutlich retired, schon im letzten Jahr hatten wir ihn vermisst. Ein paar Ansichtskarten kaufen wir dennoch.
Etwas später sitzen wir einer Bank, vergleichen das Bild vor unseren Augen mit dem von vor zwanzig Jahren, das in der Erinnerung hängengeblieben ist. Viel hat sich nicht geändert, abgesehen von der nunmehr sauber geteerten Straßengabelung mit exakten Markierungen und Parkbuchten, die im Zuge des Baus der neuen, auf alt getrimmten Brücke entstanden sind, nachdem das so harmlos erscheinende Flüsschen die historische, fast 200 Jahre alte Flussüberquerung bei einem Unwetter weggerissen hatte.
Doch war es wirklich ein Naturereignis? Kurz nach dem Zusammenbruch der Brücke hing an der Wand von Molly’s Bar in Letterfrack ein gerahmter Zeitungsausschnitt, den ich mir hier zu übersetzen erlaube:
Terroristen geben zu, die Leenane- von Javier Laffe Dem Vernehmen nach hat die radikal- Diese sensationelle Nachricht drang letzte Nacht durch, nachdem die verruchte Bande ein Video mit der Botschaft ins Internet gestellt hatte, dass dies nur der Anfang ihres Feldzugs sei. Durch den Einsturz der Brücke wurde die Hauptschlagader zwischen Connemara und Westport unterbrochen, worauf die Galwayer Polizei von der Wache an der Mill St. noch in der Nacht die Brücken der Curragh Linie sowie die von Claregalway untersuchte, wo weitere Sprengsätze vermutet wurden, mit denen die Terroristen den Verkehr aus dem Grenzland von Mayo in die Grafschaft Galway gänzlich unterbinden wollten. Soweit bekannt, setzt sich die Gruppe Al Tourmakeada aus unzufriedenen Galwayern zusammen, die frustriert über den Zuzug von Menschen aus Mayo sind, die ihnen die besten Jobs, Frauen und Plätze im Kino streitig machen. “Die Zerstörung der imperialistischen Leenane- |
* Tourmakeady ist ein Ort im Grenzland zwischen den Grafschaften Mayo und Galway.
Da wissen wir nun endlich Bescheid.
Kommt sie nun, die Kreativität, oder ist sie schon da? Vor unserem Abflug hatte ein Arbeitskollege meinem Mädchen die Karten gelegt. Sie müsse sich hüten Kreativität erzwingen zu wollen, sagten die Karten, sondern wohlvorbereitet aber gelassen warten, bis sie sich von selbst einstellt. Wohlvorbereitet ist mien Deern: ein Skizzenblock befindet sich im Rucksack und mit Bleistiften kann ich dienen. Sie kramt den Skizzenblock hervor und macht sich an eine Bleistiftzeichnung Leenauns.
* * *
Am Abend ist in der Bar der Maol Réidh Lodge gegenüber unserem Cottage Fiddle-
uch heute hält sich das Wetter nicht an die Vorgabe von Met Éireann, sondern lässt eigensinnig die Sonne scheinen. Einer spontanen Eingebung folgend fahren wir nach Cleggan und begeben uns an Bord der Fähre nach Inishbofin bzw. Inis Bó Finne, wie die Insel der weißen Kuh in der ersten Landessprache heißt.
Der Legende nach war das Eiland ein schwimmender, immaterieller Ort, bis sich an einem nebelverhangenen Tag Fischer auf sie verirrten. Indes sie ein Feuer entfachten, bannten sie die Magie und fixierten die Insel, worauf eine alte Frau aus dem Nebel auftauchte und eine weiße Kuh vor sich hertrieb. Als die sie das Tier mit ihrem Stock berührte, verwandelte es sich in einen Felsen.
Das Studium einer im Cottage gefundenen Karte hatte uns beim Frühstücken vor Augen geführt, dass wir nur die Osthälfte der Insel kennen. Zwar waren wir schon oft auf Inishbofin, doch nachdem wir bei unserem ersten Landgang den See der weißen Kuh in ihrer Mitte umrundet und nur mäßig interessant gefunden hatten, gefiel uns beim nächsten Besuch ein Rundweg im Osten so gut, dass wir ihn in den Folgejahren immer wieder gingen. Zu den Klippen im Westen drangen wir nie vor.
Zwei Dutzend Guinness- und Bierfässer werden auf das untere Schiffsdeck gerollt, dann legt die Fähre pünktlich um 11.30 Uhr ab. Zwanzig Euro pro Person kostet die Passage hin und zurück. Inselbewohner zahlen die Hälfte, und wer als Tourist auf der Insel übernachtet, entrichtet fünf Euro weniger.
Der Leuchtturm an der Hafeneinfahrt liegt in der Sonne, Cromwell’s Fort im Schatten. Die Anlage war eine der letzten Befestigungen, die die Anhänger des hingerichteten Stuartkönigs Charles I gegen den in Irland eingefallenen Lord Protector hielten. Als schließlich seine Kriegsschiffe in Stellung gingen und ihre Kanonen auf die Insel richteten, gaben die Verteidiger auf. Aus dem Fort wurde ein Gefangenenlager für katholische Priester, die im irischen Westen von Cromwells Leuten verhaftet worden waren. Bei der Rückfahrt heute Abend sollte die Sonne besser stehen, doch bislang war der Himmel bei jeder Rückfahrt bedeckt gewesen.
Wir legen am neuen Pier an und machen uns auf den acht Kilometer langen ‘Westquarter Loop’, ein Rundweg aus einem Flyer des Day’s Inishbofin House Hotel. Mein Mädchen notiert:
Zunächst geht es entlang der bewohnten Ostseite der Insel (Häuser rechts, Meer links) nach Südwesten. Imposante Betonwände schützen die Küste vor Sturmfluten. Die Befestigungen unten am Spülsaum waren bei unserem letzten Besuch noch ‘under construction’, nun sind sie fertiggestellt.
Hinter dem Doonmore Hotel steigt der Fahrweg an, die Häuser werden weniger. Dann ein Schafsgatter, und der Pfad wird zu einem von Feldsteinen markierten Grasweg. Der Boden ist weich unter den Füßen, so stellt man sich eine Bogroad vor. Vor uns und rechts von uns eine sanft ansteigende hügelig-
Nur wenige Touristen sind unterwegs. Auf einer Grasfläche über dem Meer steht ein Stein zum Gedenken an drei Brüder, die am Ostersonntag 1949 im Alter von 22 bis 38 Jahren vor der Küste ertranken. Auch grandiose Landschaften kennen traurige und tragische Geschichten. Der Weg verliert sich, über steiniges Grasland wandern wir weiter. Schwarze Holzpfosten im Abstand von ein- bis zweihundert Metern zeigen, wo es lang geht, führen zur Dun More Cove, einer schmalen, von imposanten Klippen umrahmten Bucht am Südzipfel der Insel. Von einer Anhöhe blicken wir in sie hinab, stärken uns dabei mit Keksen und Mineralwasser. Dann geht es von Stab zu Stab weiter, bis wir einen befestigten Weg erreichen, der ein Stück die Westküste entlang und dann längs des Sees der weißen Kuh zurück auf die Ostseite der Insel führt. Der Himmel zieht sich zu, weiß leuchtet der Leuchtturm an der Hafeneinfahrt über dem grauen Wasser. Ein Fischer nähert sich hinten in seinem Boot stehend dem Ufer.
Ein schöner Ausflug! Im Pub von Day’s Hotel trinken wir jeder einen Kaffee und warten auf die Fähre, während sich die Sonne hinter die Wolken verzieht. Wieder keine Chance, Cromwell’s Fort im romantischen Abendlicht zu fotografieren! Macht nichts, denn wir durften in den Sonnenstunden einen traumhaften Tag erleben.
Am Abend huschen wir noch auf ein Pint Guinness (4 Euro) und ein Glas Wein för mien Deern (5 Euro) ins Paddy Coyne’s Wir lauschen einem deutschen Paar, das offensichtlich recht unzufrieden über den Zustand der gebuchten Unterkunft ist. Mieter eines Nachbarcottage? Morgen früh werde man ‘der Frau’ mal die Meinung sagen!
Der Landlord kommt herein und hockt sich für fünf Minuten zu uns. Wir erzählen dem Sohn des seligen Paddy Coyne von unserem Inishbofin-
m Nachmittag verzieht sich die graue Wolkendecke und wir machen uns auf den Tullycross-
Zum Strand hinunter wandern wir heute nicht, sondern biegen vor dem Haus mit dem kläffenden Köter rechts ab. Ehe sein Besitzer das Maol Réidh Hotel in Tully Cross eröffnete, war es gleichfalls ein Guesthouse. Auf halbem Weg zum Friedhof machte in den vergangenen drei Jahren ein weiteres B&B auf sich aufmerksam, schön gelegen mit Blick über einen sacht abfallenden, mit gelben Butterblumen übersäten Hang auf die Bucht von Renvyle. Nun hat man es aufgegeben auf Feriengäste zu warten, die sich hierher verirren, und das Hinweisschild an der Zufahrt entfernt.
Der Friedhof von Mullaghgloss an der Kehre des Rundwegs liegt in der Sonne. Wir sitzen auf einer Bank links des rostigen Eingangstors, schauen über das Gräberfeld auf ein schimmerndes Meer und lassen die Gesichter all derer Revue passieren, die wir zu ihren Lebzeiten kannten: den Jugendlichen in dem Grab nur wenige Meter vor uns, den wir von Letterfrack nach Tully chauffierten, ehe er im Jahr darauf bei einer Mutprobe von einem Freund zu Tode gefahren wurde, auf der anderen Seite des Hauptwegs Johnnies Bruder Patrick, wie er bei seinem letzten Pubbesuch todkrank mit gebrochener Stimme Red is the Rose sang, ein Stück den Weg hinunter Johnnie selbst mit seiner Fiddle auf dem Grabstein und rechts hinten an der Mauer Brians Marian. Wir sehen die beiden vor uns, wie wir uns von ihnen vor ihrem Laden verabschiedeten, um Brian ein Jahr später als Witwer unser Beileid auszusprechen. Und natürlich das Gesicht von Charlie mit seinem Knopfakkordeon auf den Knien, auch wenn er anderen Ortes begraben liegt. In Molly’s Bar hatten wir ihm zum letzten Mal slán leat gewünscht.
Ich steige vorbei an schiefen Grabplatten den Hang zur meerseitigen Friedhofsmauer hinunter. Ein keltisches Kreuz erhebt sich über den Wall. Im September 1943 wurde hier eine Annie Curley begraben. Curley hieß auch der letzte Butcher von Tully Cross. Auch er ist schon seit vielen Jahren tot, und wo sich einst sein Laden befand, steht nun das Maol Réidh Hotel.
lifden, J. Conneely’s Bar an der Market Street: Wir haben unser Dinner beendet, sitzen etwas weiter hinten im etwas düsteren Raum und lauschen der Musik zweier junger Männer vor dem Fenster links vom Eingang, einer mit einer Gitarre und der andere mit einem Akkordeon auf den Knien. So langsam werden wir ihrer Jigs und Reels müde. Ob der Gitarist jetzt zu einem Lied ansetzt? Nein, es geht instrumental weiter.
Mien Deern versucht derweil ihn solo in einer Bleistiftskizze festzuhalten, der Akkordeonspieler hockt außerhalb ihres Blickfelds. Da rutscht er mit seiner Gitarre ein wenig zur Seite, sein linker Arm ist jetzt durch das Schild CD 10 Euro verdeckt. Der Zeichenblock wird wieder eingepackt.
Viel zu notieren habe ich auch nicht, abgesehen davon, dass es den ganzen Tag über in Strömen regnete. “Da hätten wir ebenso gut in den Süden fahren können”, meint mein Mädchen und erinnert mich daran, wie wir über Ostern eine Woche lang im Regen durch Venedig wanderten.
Und dies ist der Einkauf des Tages auf unserer Flucht vor dem Regen, Ort der Handlung Hehir’s Woolen Shop: Ein Schal für € 27,95, als Mitbringsel gedacht.
Reiseberichte Irland: Connemara 2013
© 2014 Jürgen Kullmann – Letzte Bearbeitung: 16.09.14