Irisches Tagebuch 2000

Maureen mischt sich ein IV

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Sonnabend, 24. Juni 2000

Auf dem Berg an der Nordseite der Cleggan Bay stand oberhalb des Megalithengrabes, an dem uns neulich der Regen überraschte, lange Zeit ein Turm. Noch heute sieht man von unten die Mauerreste. Ich erinnere mich an ein Foto, auf dem er noch fast intakt ist.

Wir überqueren eine blühende, leicht ansteigende Kleewiese. Ich schaue mich um. Woher dieses Geräusch? Ein Boot in der Bucht? “Die Bienen”, lacht mein Mädchen. Ein Zaun, bewehrt mit garstigem Stacheldraht, ist kein großes Hindernis: wir finden eine Stelle, an der er abgerostet ist. Auch für den Rest der Strecke braucht man kein großes Bergsteigerexamen.

Auf der Kuppe angekommen, zeigt sich, dass von dem Turm nicht viel geblieben ist. Als ob ein Sturm ihn umgeblasen hätte und die Steine den Hang hinunter hat purzeln lassen. Dem Nebengebäude ist es nicht besser ergangen. Es handelt sich um einen jener Signaltürme, die zu Napoleons Zeiten entlang der irischen Westküste gebaut wurden, um rechtzeitig das Nahen des Usurpators zu melden. Nicht so solide gebaut, wie die zweihundert Jahre älteren Wehrtürme der Gráinne Ní Mháille, von denen einige heute noch stehen.

A lovely place, würde ein Ire sagen. Links unter uns die Cleggan Farm, nun erst in ihren Ausmaßen zu erkennen. Mustergültig angelegt, und wir fragen uns, ob sie Mitchell Henrys Musterfarm war, von der wir vor einiger Zeit lasen. Immerhin ist es der gleiche graue Granit, aus dem Schloss Kylemore erbaut ist. Auf der anderen Seite der Bucht liegt Cleggan. Das Mittagsboot nach Inishbofin läuft gerade aus. Ob der alte Paddy O’Halloran immer noch am Steuerruder steht? Cleggan sieht ausgesprochen hübsch aus, ist jedoch völlig zugeparkt. Ein blinkendes Blechmeer in der Sonne, vermutlich Tagesausflügler nach Inishbofin.

Megalithengrab bei Cleggan, © 2000 Juergen KullmannAuf dem Rückweg machen ein Abstecher zum Megalithengrab. Den versprochenen Zucker für das Pferd haben wir vergessen, es macht sich enttäuscht von dannen. Nun, wo die Sonne scheint, wird das vorgestern verpasste Foto nachgeholt. Nicht weit vom Grab fallen die Felsen zum Meer hin ab, darin eingelassen – man erkennt sie erst im letzten Moment – eine Treppe. “Zweifellos ein Anleger für Schmuggler”, erläutert mein Mädchen und setzt sich auf eine der Stufen. Eine Viertelstunde später nimmt ein Boot Kurs auf uns, schwenkt dann wieder ab in Richtung Inishbofin. Wo Touristen hocken, da legen keine Schmuggler an.

*  *  *

Es wird Abend und die Sonne geht unter. Rosa Wolken über der Mweelrea. Vor einigen Tagen kam Anne vorbei, brachte uns einen Porter Cake und die gerahmte Kopie eines Gedichtes über den Tagesablauf des Berges, verfasst von einer Amerikanerin, die im letzten Jahr in unserem Cottage wohnte. Es steht nun auf dem Kaminsims:

This morning she stretches lazily across our vision
Whispy boa of cloud against white shoulders,
A tease, blushing slightly with dawn’s attention.

Restless by noon, she powders her face and begins to pout,
Shadows ranging across her sensuous curves.

Sulking now in the glowering cloud bank of mid-afternoon
She may emerge before sunset, crowned, majestic in shimmering white,
Or as a tent of darkness, a cut-out against the Irish sky-scape.

Dusk finds her steadfast, a sister saying her goodnights all around
Before night takes her in his glittering arms and carries her away.

Miriam Pederson       

 
Heute Morgen legt sie sich träge über unser Traumbild,
Eine schwebende Boa aus Wolken, an weiße Schultern geschmiegt,
Ein Spiel, sanft errötend mit dem Morgengrauen.

Ruhelos am Mittag pudert sie ihr Gesicht und beginnt zu schmollen,
Schatten streifen über ihre sinnlichen Kurven.

Schmollend nun, in der finsteren Wolkenbank des Nachmittags,
Mag sie vor Sonnenuntergang wieder erscheinen,
Gekrönt, majestätisch in schimmerndem Weiß,
Oder als Zelt der Dunkelheit vor irischem Himmel.

Die Dämmerung findet sie unbewegt, eine Schwester, allen gute Nacht sagend,
Ehe die Nacht sie in ihre glänzenden Arme nimmt und davonträgt.

*  *  *

Es wird neun Uhr und wir haben eine neue Heizung. Seit zehn in der Früh ist ein netter Mensch aus Headford jenseits von Cong dabei, das 27 Jahre alte Ungetüm in dem engen Verließ auf der Rückseite unseres Cottage aus- und ein neues einzubauen. Normalerweise wartet er nur Heizungen, erzählt uns der Experte, zirka 800 pro Jahr. Doch da sich nur wenige Menschen in Irland mit derart ungewöhnlichen Luftheizungen – man will das Cottage schließlich nicht mit Heizkörpern verschandeln – auskennen, habe Anne seiner Ein-Personen-Firma den Auftrag für den Ausstausch gegeben. Zweimal habe er es mit einem Lehrling versucht, doch keiner habe durchgehalten: “Schmutzige Arbeit, das mögen die jungen Leute von heute nicht!” *

Eine Stunde später in Molly’s Bar. Am Straßenrand finden wir einen Schlüsselbund und geben ihn beim Aushilfs-Barkeeper ab. Der bedankt sich tausendmal, unser Guinness müssen wir dennoch bezahlen. Zunächst Musik mit Frank & Charlie, später gesellt sich Kieran dazu.

Maureen* Vermutlich heiraten deshalb so viele junge Männer nicht mehr: die Sache mit dem Geschirrspülen, und all die schmutzigen Hausarbeit. M.

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Sonntag, 25. Juni 2000

Ob sie diesmal wohl klappt, die Bezwingung des Tully Mountain im ich-weiß-nicht-wie-vielten Anlauf? Ein leichter Wind erleichtert an diesem Sonnentag den Aufstieg. Am Feenbach eine kleine Rast, bis mein Mädchen meint, die Elfen hätten den Weg freigegeben.

Auf dem Ballynakill Harbour kreuzt der Vergnügungsdampfer von ‘Ocean’s A-Live’, während über uns ein Hase das Weite sucht. Kein Feenhase, sondern ein echter. Vor uns Lough Awauma, ein kleiner Bergsee, dann ein schmaler Grünstreifen und dahinter auf gleichem Niveau, 300 m höher, als es der Verstand erlaubt, das Meer. Beim Näherkommen schwindet der Zauber. Das Meer sinkt auf die vorgeschriebene Meeresspiegelhöhe und unter uns liegt die Renvyle-Halbinsel.

Auf dem Tully Mountain, © 2000 Juergen KullmannWir wandern über den Grat zum nächst höheren Gipfel, der stolze 306 m aufweist. Hier waren wir schon vor einem Jahr, also weiter. Wir fühlen uns wie im Himalaja! Vorbei an Loughaun – wie von Menschenhand mit Kieselsteinen eingefasst, sieht der kleine, fast rechteckige Bergsee aus. Wir lassen ihn unter uns liegen, wollen die Wasserelfen nicht stören.

Und dann stehen wir nach acht Jahren auf dem Gipfel des Tully Mountain, 335 m über dem Meeresspiegel! Im Grunde sind es zwei Gipfel im Abstand von vielleicht 50 Metern, jeweils gekrönt von einer Steinpyramide. Wir erhöhen jeden um einen Stein – man darf sich dabei von den Feen etwas wünschen, steht irgendwo geschrieben.

*  *  *

Am Abend gibt es Musik im Angler’s Rest. Viel junges Volk steht an der Theke, denn am Nachmittag gab es Gaelic Football auf dem Platz hinter der Marian Hall. Arg laut geht es zu. Das finden auch die Lübecker, als sie uns erspähen. Gemeinsam beschließen wir ins Paddy Coyne’s umzuziehen, dem ‘Pub next door’.

Da unsere Guinnessgläser leer sind, bilden wir die Vorhut. Wollen sie bilden, denn kaum sind wir draußen, da kommt uns langsamen Schrittes Johnnie mit seinem Geigenkasten entgegen. Zurück ins Angler’s Rest, unsere Plätze mit den beiden leeren Gläsern sind noch frei – die Aspiranten darauf glaubten, wir holten nur Nachschub. Der halbe Clan der Coyne’s von Mullaghgloss kommt durch die Tür: Frank, Kieran, der alte Johnnie. Sein jüngerer Bruder Paddy, gerade mal 75, bedauert uns, weil Deutschland bei irgendeiner derzeit stattfindenden Fußballmeisterschaft von England geschlagen wurde. Doch zum Glück sei England anschließend selbst gescheitert, tröstet er uns.

Johnnie schiebt sich zwischen uns und ich schaffe es, ihm und uns ein Pint zu ordern, ehe er selbst auf die Idee kommt. Als er schließlich zur über 100 Jahre alten Geige greift, will sein Clan zeigen, dass er noch weitere Musikanten aufzubieten hat: Franks Schwiegersohn in spe, ein sympathischer Junge aus Clifden, übernimmt vom künftigen Schwiegeronkel Kieran die Gitarre, derweil seine Angebetete singt. A Woman’s Heart, schon im letzten Jahr Carolines Lieblingslied.

Der neue Tag ist angebrochen, die Vorhänge vor den Pubfenstern sind zugezogen und die Türen zum Angler’s Rest seit einer halben Stunde verrammelt. Man kommt hinaus, aber nicht mehr hinein. Frank setzt zum Finale an: “Molly McGuire’s, for Hildegard and Jürgen from Germany”. Weiß der Teufel, warum wir dafür verantwortlich sind. Dann Amhrán na bhFiann und alles erhebt sich.

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Montag, 26. Juni 2000

Wir sitzen am Glassilaun Strand und ich schreibe in dieses Buch, Radiergummi und Anspitzer liegen neben mir. Am Strand zehn Menschen auf einer halben Meile – ganz schön voll heute! Hundert Meter vor uns hat sich eine irische Familie am Ufer niedergelassen. Die Tochter, ein geistig behinderter Teenager, hat einen Heidenspaß im flachen Wasser. Auch ihrem Vater scheinen die Temperaturen nichts auszumachen. Er schwimmt ein Stück hinaus.

Gegen Mittag tauchen ein paar dunkle Wolken am Himmel auf, beschließen jedoch weiterzuziehen und sich anderen Ortes abzuregnen. Auch wir ziehen weiter, und zwar nach Letterfrack in Veldon’s Bar. IR£ 14.50 für zwei Honey glaced pork with vegetable and potatoes und zwei Pint Guinness – man mag es nicht glauben, dass man kann in Irland so preiswert essen kann.

*  *  *

Der Abend naht, es ist kurz nach neun. Als wir auf die Straße fahren, haben wir plötzlich Frank vor uns, ‘on the road’ zum Renvyle House Hotel. Er, um in der Bar mit Charlie Musik zu machen, und wir, um ihr zu lauschen.

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Dienstag, 27. Juni 2000

Von Claddaghduff – irisch An Cladach Dubh, das schwarze Ufer – gelangt man als fußfauler Tourist mit dem Auto nach Omey Island. Zumindest bei Ebbe, doch selbst bei Flut, wenn man den aus dem Wasser ragenden Markierungsstangen traut. Wir lassen unseren Leihwagen lieber an der Dorfkirche stehen und machen uns zu Fuß auf den Weg.

An Cladach Dubh, © H. Vogt-KullmannZwar hat sich die Flut schon angekündigt, aber noch ist der Fahrweg trocken. Omey Island in the Sun, sang nicht in alten Zeiten Harry Belafonte dieses Lied? Mein Mädchen sieht mich schief an und meint, ich würde da etwas durcheinander bringen. Und nun liegt diese Insel vor uns. Vor einiger Zeit las man in einem Reisebericht, sie sei unbewohnt, doch die beiden Häuser oberhalb des Friedhofs sehen recht gepflegt aus. Wir kommen näher, während rechts und links das Wasser steigt. Der trockene Streifen vor der Insel wird von Minute zu Minute schmaler, bis der Atlantik sie ganz umspült.

Doch der Rückzug ist gesichert, denn zum Festland hin liegt noch eine breite Sandbank in der Sonne. Auf halber Strecke ein paar Felsbrocken – ein guter Platz zum Relaxen, solange das Wasser sie noch nicht eingenommen hat. Davor steht ein Auto mit Darmstädter Kennzeichen, wir haben es schon neulich bei Glassilaun gesehen. Es ist im Besitz einer jungen Familie mit zwei kleinen Kindern, die im langsam näher kommenden Wasser plantschen – bis dann der Vaters ins Auto springt und den Wagen aufs Festland fährt.

Die ‘Locals’ haben weniger Hemmungen. Vom Festland naht ein Kleinbus, fährt ungebremst auf die Wasserkante zu und dann entlang der Markierungen eine Bugwelle vor sich hertreibend zur Insel, wo in kurzen Hosen zwei Radtouristen stehen. Sie haben das Einsetzen der Flut verpasst, also Schuhe ausgezogen und die Räder durchs knietiefe Wasser geschoben. Was wohl ihre Torpedo-Fünfgangschaltungen zur Salzwasserspülung sagen? Ein örtlicher Teenager zeigt, wie man es richtig macht: Er fährt auf seinem Rad in langen Jeans und mit schweren Schuhen an den Füßen auf das Wasser zu und hinein, die Schuhe und Hosenbeine unter der Oberfläche, bis sie auf der Insel wieder auftauchen.

Mein Mädchen sammelt noch ein paar Muscheln für die Cottagedekoration, dann fahren wir nach einem Fischeinkauf in Clifden nach Hause zurück. Die Sonne hat sich durchgesetzt und auf der Straße bilden sich schwarz glänzende Flecken. Die Autoreifen reißen klebrige Bröckchen aus dem Teer. Das ist der Tag, an dem die kleinen Potholes geboren werden, um zu wachsen und zu gedeihen, bis sie in ein, zwei Jahren groß und tief geworden sind.

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Mittwoch, 28. Juni 2000

Auf ins Joyce Country, einen weiteren Hügel bezwingen. Zwei Meilen hinter Leenaun glänzt am linken Straßenrand ein neues Schild:

An Ghealtacht

Ab hier wird Gälisch gesprochen! Ob es jemand merkt und Englisch jenseits des Hinweises geahndet wird? Da sollten sich die Arbeiter, denen die Straße seit acht Jahren Brot und Arbeit gibt, vorsehen, denn noch finden wir ihre Temporary Surface- und Loose Chippings-Schilder. Nach dem Abbiegen Richtung Loch na Fuaiche, dem ‘See der Kälte’, ändert sich das. Clocha beaga scarthar, kleine verstreute Steine, lautet von nun an die Warnung an die Autofahrer. Hinter dem See gabelt sich die Straße und wir fahren den Berg hoch. ***’s Pub 5 Meilen, stand vor einer Weile auf einem Wegweiser, und hier ist er nun. Es scheint weit und breit der einzige zu sein. Ein solides Gebäude, ein großer Parkplatz, kein Mensch zu sehen.

Kurz vor einer erneuten Gabelung lassen wir das Auto auf einem Schotterplatz mit Seeblick stehen und gehen zu Fuß weiter, den zur Besteigung auserwählten Hügel im Visier. Vorbei an einem Children’s Burial Ground, dem wir einen kurzen Besuch abstatten. Erst kürzlich eingefriedet, führt ein frischer Kiesweg den Hang hinauf. Alles, was wir finden, sind eine bucklige, steinige Heidefläche und ein neues Steinkreuz. Hier wurden noch vor einem halben Jahrhundert ungetaufte Kinder begraben, denen die Kirche geweihte Erde nicht gönnte. Seit einiger Zeit gibt es Initiativen, solche Grabstätten aufzuspüren und kenntlich zu machen, oft ins Leben gerufen von älteren Frauen, denen selbst ein Kind bei der Geburt starb und das dann anonym begraben wurde.

Ehe wir jetzt den Hang links vor uns erklimmen, müssen wir noch ein Stück die Straße entlang. Es ist einsamer als in den Küstenregionen Connemaras, der Bungalow-Blitz hat noch nicht zugeschlagen. Statt des ‘Zwei-Finger-vom-Lenkrad-Hebens’ winkt uns die Dame aus dem Fenster eines entgegenkommenden Autos zu, als seien wir alte Bekannte oder die ersten Fremden seit dreißig Jahren. Dann geht es querfeldein bergan. Es ist gar nicht so schwierig, vielleicht hatten wir uns zu lange auf käufliche ‘Walking-Guides’ statt auf den nicht käuflichen Instinkt meiner kleinen Bergziege verlassen. Oben auf dem Hügel ist die Aussicht grandios: zu zwei Seiten die Ausläufer von Lough Mask und zur dritten Loch na Fuaiche oder englisch Lough Nafooey.

Der Hügel, dessen Namen wir nicht kennen, besitzt zwei Kuppen und wir wissen nicht, welches die höhere ist. Zwischen beiden liegt ein Steinzeitwald, aus dem Moor ragende Baumstümpfe. Vereinzelt gibt es diese urzeitlichen Baumreste auch auf Renvyle, doch hier muss vor dreitausend Jahren ein ganzer Wald gestanden haben. Schließlich haben wir die zweite Kuppe erreicht und schauen uns um. Weit unten am Hang sehen wir etwas, das wir als Feenhügel definieren. Ich mache mit dem Teleobjektiv noch ein Foto, dann geht es wieder heimwärts.

*  *  *

Am Abend im Paddy Coyne’s. Gerard sieht, wie wir seines verstorbenen Vaters 35 Jahre alte Anschreibebuch studieren, setzt sich zu uns und erzählt aus jener Zeit, in der er vielleicht sechs oder sieben Jahre alt war. Mr. Wilson, der 1966 für sein gemietetes Ferienhaus eine Vierteltonne Kohle geordert hatte*, kommt auch jetzt noch jedes Jahr nach Renvyle und war erst vor drei Wochen hier, diesmal ohne vorab Kohle bestellt zu haben.

** siehe 22. Juni

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Donnerstag, 29. Juni 2000

Mein Mädchen kann’s nicht lassen und will schon wieder einen Berg erklimmen. Der Benbaun soll es diesmal sein, jenseits von Kylemore Lough. Deutet man die Höhenlinien auf der Karte richtig, so ist der Aufstieg nicht allzu steil.

Wir fahren über Kylemore ins Inagh Valley, biegen an der ersten Wegkreuzung rechts ab und lassen das Auto an der Brücke über den Kylemore River stehen. Ein paar hundert Yards geht es noch links den Weg hoch, dann jedoch querfeldein den Hang hinauf. An einem Zaun ein uns durchaus nicht unsympathisches Schild:

WARNING
Dogs without Leads
will be shot
on sight!

Doch sollten wir uns hüten, auf allen Vieren den Berg hochzukriechen, zumindest dabei nicht bellen.

Der Anstieg ist nicht besonders steil, aber steinig. Vielleicht haben in grauer Vorzeit Giganten Felsbrocken den Berg hinunter rollen lassen, die dann im Gelände liegen blieben. Vermutlich ein Vorläufer des Street Bowling oder Boßeln, wie die Friesen sagen. Clocha móra scartha nannten die Kelten diese riesigen Steinkugeln, woraus die Straßenbaumeister unserer Zeit Clocha beaga scartha machten*.

Der Himmel verdunkelt sich und wir fragen uns, ob wir nicht besser umzukehren sollten. Doch uns packt der Ehrgeiz, und nach knapp anderthalb Stunden stehen wir auf dem Gipfel – wenngleich hinter uns noch weit höhere sind. Arg duster ist es mittlerweile geworden, doch die Aussicht lohnt: Zur einen Seite ein Panorama, das vom Lough Fee bis ins Inagh Valley reicht, zur anderen Lough Kylemore mit dem Schloss, dahinter der Ballynakill Harbour und das Meer.

Ein paar Tropfen fallen und wir befürchten, dass sich der Weg zurück in eine Rutschbahn verwandelt; also sputen wir uns und erreichen nach nur 30 Minuten den Kylemore River. Worauf der Regen meint, nun lohne sich die Sache nicht mehr.

Maureen* Kann ich ja mal übersetzen: ‘Beag’ heißt klein und ‘mór’ groß. ‘Clocha beaga scartha’ (kleine verstreute Steine) schreiben die Straßenbauer, wenn sie ihren Schotter auf die Piste schütten, während ‘Clocha móra scartha’ große verstreute Steine sind. M.

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Freitag, 30. Juni 2000

Wir müssen noch einmal nach Clifden, bei unserem Bretonen den Lachs abholen. Frisch aus der Räucherkammer kommend, muss er erst noch eingeschweißt werden. Ein knappes Kilo für zirka IR£ 30.00, umgerechnet etwa 39 Euro.

Zum letzten Mal in diesem Jahr schlendern wir durch den Ort. Im Bookshop erwerbe ich, glaubt man den Herausgebern, zwei wissenschaftliche Werke: The Truth about the Leprechaun und True Irish Ghost Stories, letztere zum Ramschpreis von IR£ 2.99. Es handelt sich um den Nachdruck eines Buches aus dem Jahr 1926, das erstmals 1915 aufgelegt worden war. Eine Lektüre für lange Winterabende im fernen Deutschland.

*  *  *

Später am Tag. Mein Mädchen entfacht mit hinreichend vielen Feueranzündern ein formidables Torffeuer. Wir verteilen den Rest aus der Paddyflasche auf zwei Gläser, machen noch ein paar Fotos vor dem Kamin. Dann blättere ich in den True Irish Ghost Stories, während sie sich mit den True Irish Horror Stories aus der Zeitung befasst – der Seite über die Haus- und Grundstückspreise. Der Regen lässt nach, und wir setzen uns noch ein Stündchen vors Cottage. Die Zeitung liegt nun auf dem Boden, mein Mädchen liest Three Men on an Island. Und morgen heißt es dann Two People Leaving Ireland.

Maureen
Tschüüs auch von mir. M.

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Weitere Reiseberichte


Reiseberichte Irland: Connemara 2000
© 2002 Jürgen Kullmann – Letzte Bearbeitung: 10.08.2006