Katjas irischer Flickenteppich

von Katja Heimann-Kiefer

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Katja Heimann-KieferHallo! Heute werde ich mich einmal „handwerklich“ versuchen, denn ich habe vor, einen irischen Flickenteppich zu stricken, zusammengesetzt aus kleinen Fetzen, Begebenheiten, Eindrücken aus den Jahren, in denen ich in Irland gelebt habe.

Ich heiße Katja Heimann-Kiefer, stamme aus Hamburg und wohne mit Mann und Sohn in Hildesheim, wo ich heute als selbständige Fachübersetzerin arbeite. Mehr über meine Arbeit finden Sie im Internet unter www.kiefheim.de.

 
Wie alles begann

Ich und Irland? Das kam so:

Nach Jahren glühenden Interesses für das Land betrat ich 1987, ein Jahr nach meinem Abitur, zum ersten Mal irischen Boden. Alleine, zu Fuß und mit Rucksack – nein, ich bin nicht von Ort zu Ort gewandert, sondern mit den CIÉ-Überlandbussen gefahren, habe meist in Jugendherbergen und gelegentlich in B&Bs übernachtet. Ein schöner erster Eindruck von Land & Leuten – er machte Lust auf mehr!

Zurück in Deutschland, begann ich, an der Universität Hildesheim Fachübersetzen zu studieren. Ein großer Vorteil des Hildesheimer Studiengangs: es gab ein Austauschprogramm mit der Dublin City University! Das konnte ich mir natürlich nicht entgehen lassen, und so absolvierte ich 1989/90 mein Auslandssemester in Dublin. Eine Super-Zeit, randvoll gepackt mit Leben! Ich habe alles gemacht: brav studiert und ein paar Scheine mit nach Hause gebracht, Kinos, Pubs und Konzerte besucht und in dem einen Semester das Land so intensiv bereist, wie in den viereinhalb Jahren, die ich nach dem Studium im Lande verbrachte, nie wieder – da musste ich ja auch arbeiten!

Schon die Wohnungssuche für dieses Auslandssemester war interessant. Am DCU wirkte eine Dame als Accommodation Officer, bei der man Adressen von Hausbesitzern bekam, die Zimmer an Studenten zu vermieten hatten. Eine freundliche Dame, die uns Ausländer am liebsten bei Familien untergebracht hätte, die uns bekochten und gut behüteten. Das war zwar nett gemeint, aber die meisten von uns zogen es doch vor, eigene Wege gehen.

Meine Suche führte mich und meine Studienkameradin zu Fuß und per Bus quer durch Glasnevin und Drumcondra, das war echte Arbeit! An ein Haus erinnere ich mich noch: das zu vermietende Zimmer war, wie überhaupt das ganze Haus, spartanisch eingerichtet, wohingegen die Miete im oberen Segment lag. Ich lehnte dankend ab, weil ich etwas Schöneres gefunden hatte, aber irgendwie tat es mir doch leid, denn in dem Haus wohnte eine alleinstehende junge Mutter mit einem oder zwei Kindern, die das Geld wohl bitter nötig hatte. Das Zimmer, das ich letztlich nahm, war sehr hübsch, und die Vermieterin Maureen und ihre Tochter waren beide sehr nett. Ich hatte Familienanschluss, wobei die Frage, die Maureen am meisten interessierte, lautete: „Met any nice fellers?“

Auch Frank, von dem ich noch nicht wusste, dass er einmal mein Mann werden würde, verbrachte ein Semester in Irland, wenn auch ein Jahr später als ich. Hier sein erster Eindruck:

“Zunächst wohnte ich mit meiner damaligen irischen Freundin Maeve zur Untermiete im Haus einer älteren alleinstehenden Frau. Angeblich war vor unserem Einzug alles von einer Putzfrau gereinigt worden, doch komischerweise mussten wir mehrere Stunden damit zubringen, Bad, Küche und unsere Zimmer in einen bewohnbaren Zustand zu bringen. Das Zusammenleben mit der Vermieterin wurde mit der Zeit immer unerträglicher und von immer größerem Misstrauen geprägt. Nicht gerade Vertrauen erweckend war auch der Gasgeruch, der dem Ofen entströmte.

Nach unserem Auszug zieht Maeve in ein kleines Apartment, ich in eine WG mit vier irischen Jungs in Raheny im Norden Dublins. Toll, mit irischen Studenten zusammenzuleben, das ist doch für ein Auslandssemester ideal, denke ich. Der Vermieter ist sehr nett, besorgt sofort einen Schreibtisch für mein Zimmer und hat stets ein offenes Ohr für uns. Sehr entgegenkommend von ihm, dass wir in den zwei Wochen der Weihnachtsferien, in denen wir nicht im Hause sind, keine Miete zahlen müssen. Aber Nettigkeit wird nicht immer mit Dank belohnt.

Die lammfrommen Jungs verwandeln sich in Randalierer, kaum dass ihre Erzeuger sie am Ende jedes Wochenendes abgeliefert haben. Sogar Wäscheständer und Esstische müssen dran glauben.

Ich wundere mich manchmal, warum an meiner Zahnbürste Zahnpasta hängt, obwohl ich sie am Vorabend ausgewaschen hatte. Zunächst denke ich mir nichts dabei, bis ich eines Morgens einen dicken Placken einer Zahnpasta an ihr finde, die ich gar nicht verwende ... Hhm, in einer WG Gegenstände zu teilen ist ja normal, aber die Zahnbürste?

Kartoffeln werden im Spülbecken geschält, das schmutziges Geschirr kommt obendrauf, andere Speisereste auch. Einmal pro Woche wird das Spülbecken gesäubert. Ich ziehe mich immer mehr zurück, weil ich immer weniger Lust habe den Dreck alleine wegzuräumen. Oder die Bier- und Coladosen aus dem Kamin zu räumen, damit ich Feuer machen kann.

Es wurde aber nie langweilig:

Wo kommt bloß dieser merkwürdige Geruch her? Aus dem Bad? Nein. Aus einem der Schlafräume? Auch nicht! Ach, aber die Klobürste steht auf einem Bett. Also weitersuchen. Was ist denn da im Kühlschrank? Einer meiner Mitbewohner hatte vom elterlichen Bauernhof Steaks mitgebracht. Oh, der Teller mit der blutigen Tüte steht noch drin und das Blut ist bis nach unten getropft. Trotz Kühlung gammelt es nun vor sich hin und ein kurzes Öffnen des Kühlschranks genügt, um das ganze Haus mit einem fauligen Geruch zu erfüllen.

Neben meinem Zimmer befindet sich das einzige Zimmer des Hauses mit Doppelbett und wird abwechselnd von demjenigen in Anspruch genommen, der gerade Besuch von seiner Freundin hat. Man treibt es auf der blanken Matratze unter einem aufgefalteten Schlafsack. Alle benutzen in bunter Folge diese „Bettwäsche“, ohne Waschen, ohne Wechseln. Lecker! Ist der Hinweis im „Students' Handbook“, man solle ein bisschen auf Sauberkeit und Hygiene achten und sich ab und an auch mal waschen, doch nicht so unbegründet? Irische Erstsemester: Zu Hause gehegt, wohlbehütet und die Unschuld vom Lande, aber wehe, wenn sie losgelassen ...

Meine WG-Kollegen nehmen es mit dem Bezahlen ihres Anteils an der Stromrechnung nicht so genau. Irgendwann wird es dem Vermieter zu bunt und er lässt den Strom vom ESB (Electricity Supply Board) abstellen. Wir fliegen alle raus! Sein freundliches Angebot, wohnen bleiben zu dürfen, wenn ich die Schulden der anderen begleiche, lehne ich dankend ab. Ich kann’s ihm jedoch nicht verübeln: Er versorgte uns mit allem und erntete als Dank Dreck und ramponierte Möbel.

Wie anders hingegen waren die letzten sieben Wochen meines Irlandaufenthalts, in denen ich bei Barney wohnte! Katja und ich werden noch von ihm berichten.

Ende 1993 schlossen Frank und ich unser Studium ab und wir beschlossen, unsere ersten Berufserfahrungen in Irland zu sammeln. Denn was gibt es Besseres für Übersetzer als Auslandserfahrung!

Vorstellungsgespräche in Irland Ende Januar 1994, Arbeitsbeginn Mitte Februar. Wenn ich heute daran denke, wie wir es in nur zwei Wochen schafften, unsere beiden Haushalte im Studentenwohnheim aufzulösen, die Zelte in Deutschland abzubrechen, mit einem Peugeot 205 voll der wichtigsten Utensilien zum Leben nach Irland zu fahren

(Für mich bedeutete die nächtliche Fahrt durch England, das erste Mal im Linksverkehr am Steuer zu sitzen – mitten in der Nacht und hundemüde: furchtbar! Später auf der Fähre konnte ich die Augen nicht zumachen, ich sah die dunklen englischen Autobahnen vor meinem geistigen Auge, und das Schwanken der Fähre waren Rechtskurve, Linkskurve, Rechtskurve, Linkskurve ...)

und bei unserem Arbeitgeber in Bray, Co. Wicklow, auf der Matte zu stehen, wird mir fast schwindelig! Und unsere (deutschen!) Ansprechpartner vor Ort nahmen es mit Verwunderung auf, dass wir nicht schon eher zur Verfügung standen.

 
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© 2004 Katja Heimann-Kiefer