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ir sind etwas ermattet. Nach der Rückkehr aus dem Donegal ging es am Abend weiter mit einer Session in der Bar des Renvyle House Hotels, und als uns Frank eine Stunde nach Mitternacht vor dem Cottage absetzte, sah uns nicht nur unser Reiseschaf Eileen Óg treu an, sondern auch die Whiskeyflasche auf dem Kaminsims.
Am Vormittag fahren wir zum Einkaufen (Lebensmittel) und Shoppen (Kleidung) nach Clifden. Derweil mien Deern die Mode- und Schuhläden abarbeitet, beobachte ich von einer Bank vor Mannion’s Bar aus das kleinstädtische Treiben. Der geplante Spaziergang zum Castle endet anschließend am Old Grain Store, der wie die Burg des Stadtgründers in sich zusammengefallen ist, jedoch anders als diese zum Verkauf steht. Eine Million Euro wollte der Makler am Markt vor zwei Jahren für das alte Getreidelager haben; wo seine Preisvorstellung jetzt liegt, wissen wir nicht. Wir speisen erst einmal.
Gegen halb drei verlassen wir das Derryclare Restaurant. Wir waren die einzigen Gäste, und das an einem Sonnabend. Vor zwei Jahren, erzählt uns der Landlord, standen die Touristen um diese Zeit noch um einen freien Platz an.
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Ganz anders heute Nachmittag in Tully Cross. Seit fast einer Stunde ist die Straße vor dem Cottage voll wartender Menschen, so dass kein Durchkommen mehr ist. Und es werden immer mehr. Alles schaut in eine Richtung. Dann nähert sich eine Autokolonne, und Noels neuer Leichenwagen fährt auf den Platz vor der Kirche. Bis auf ein paar Grüppchen, die nicht mehr in die Kirche passen oder nicht hineinwollen, leert sich die Straße. Für eine Stunde oder so. Dann öffnen sich die Tore der Kirche und die der beiden Pubs, die die Menschenmenge längst nicht fassen können, und die Einkehr der neuen Seele in den Himmel wird begossen. Mit Bier- und Guinnessgläsern steht man teils schwarz und teils bunt gekleidet auf der Straße, lacht und scherzt und prostet dem Verblichenen zu.
Auch am Abend in Molly’s Bar zu Letterfrack gedenkt man des Verstorbenen. Kurz vor Mitternacht läutet der Barmann eine Minute des Schweigens zum Gedächtnis aller in der vergangenen Woche dahingegangenen Zecher ein. Mögen ihre Seelen im Himmel sein, ehe der Teufel merkt, dass sie nicht mehr bei Sally an der Bar stehen.
n the Bright Road ist der Titel unserer CD, deren Spieldauer exakt von Tully Cross bis Roundstone reicht. Diese ‘helle Straße’ führt uns heute unter einem eher grauen Himmel durchs Inagh Valley und dann an Ballynahinch Castle vorbei, wo die Wolkendecke gerade zum richtigen Zeitpunkt aufreißt, um auf die Bremse zu treten und die ehemalige Bahnstation zu fotografieren, an der vor 80 Jahren allsommerlich der ‘Maharadscha von Connemara’ nach einer Schiffs- und Bahnreise um die halbe Welt den Zug verließ, um sich in sein irdisches Anglerparadies zu begeben. Das Empfangsgebäude und der Güterschuppen sind hübsch restauriert, in Gegensatz zum früheren Bahnhof von Recess ein paar Meilen südlich von hier, der seit einem Jahrzehnt zum Verkauf steht und derweil zur Ruine geworden ist.
In Roundstone bewegt sich an diesem Sonntagmittag mehr Volk auf der Straße als gestern zur besten Geschäftszeit in Clifden. Nur in Malachy’s Craftshop spürt man die Rezession: abgesehen von uns und einer gelangweilten Frau mittleren Alters an der Kasse ist niemand zu sehen. Auch an uns hat Malachy nichts verdient; wir haben den Laden bereits verlassen und wandern um das ehemalige Klostergelände herum am Ufer entlang ins Städtchen zurück. Der Himmel hat seinen rezessionsgrauen Überzieher angelegt, nur dann und wann reißt er auf, lässt nach Lust und Laune etwas Sonne oder auch ein paar Regentropfen durch.
Was soll man über ein Städtchen schreiben, das hier schon so oft in erwähnt wurde? Die Souvenirländen kommen und gehen, doch es bleiben ein paar Konstanten. Eldon’s Hotel zum Beispiel, auf dessen Terrasse wir in den letzten Jahren manch einen teuren Apple Pie gegessen und dabei auf die Bucht geschaut haben, dann zwei typisch irische Läden. Einer davon ist Ferron’s mit den beiden Tanksäulen vor der Tür, in dem auch das örtliche Oifig an Phoist beheimatet ist. Vor wenigen Jahren hatte der local postmaster noch sein eigenes Gebäude. In dem anderen Laden, ein paar Stufen den Hang hoch gegenüber Ferron’s, von wo aus ich dieses Foto nun mache, stand vor gar nicht so langer Zeit noch Mehl in Säcken hinter der Eingangstür.
Die Sonne wandert mit einem Wolkenloch über dem Hafen, der mit der Staatskasse heute gemein hat, dass Ebbe in ihm herrscht. Ich mache noch zwei Fotos, dann fahren wir entlang der Küste gen Clifden.
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Nachmittagslicht über der Gorteen Bay. Ein neuer Parkplatz wurde hier angelegt, von dem aus man zu einem in den Dünen liegenden Friedhof gelangt. Nicht nur die Lebenden genießen hier einen großartigen Blick über die Bucht in die Unendlichkeit, hier, wo die letzten Szenen des Films Into the West gedreht wurden, in denen Mythen und Realität, Gegenwart und Ewigkeit sich begegneten.
in Ausflug nach Westport ist angesagt, gegen Mittag sind wir dort. Die Stadt gefällt uns immer noch, nur der N59-
Nachdem die Liebste bei einem ersten Rundgang durch die Läden viele Dinge, die ihr gefallen haben, nicht gekauft hat, wandern wir über die Old Railway Road zum Hafen. Die kleine Lokalbahn zwischen dem Bahnhof und der Clew Bay wurde 1980 außer Betrieb gestellt und 30 Jahre später zu einem Wanderweg umgestaltet. Im April wurde er durch Verkehrsminister Noel Dempsey eingeweiht. Als Slí Sláinte, Gesundheitsweg, ist er ausgeschildert, und es sind nicht wenige, die ihn in der Nachmittagssonne begehen oder mit dem Rad befahren. Seine Gesamtlänge beträgt 2,5 Kilometer, doch da wir nicht am Bahnhof starten sondern vom Tober Hill herunterkommen, wandern wir für unsere Gesundheit etwas kürzer. Der Weg endet an der Straße von Westport nach Louisburg, ein paar hundert Meter westlich des Restaurants The Towers.
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Zwei Stunden später sind wir in diesen Towers, schauen durch die bis zum Boden reichenden Fenster auf die über der Bucht sinkende Sonne und genießen ein wunderbares Lachssteak. Unsicher darüber, wann der Parkplatz in der Stadt seine Schranken schließt, waren wir zuvor den Gesundheitsweg zurückmarschiert, hatten trotz mehrmaligem Anprobieren im Carraig Donn an der Bridge Street auch dieses Mal kein Kleidchen für mien Deern gekauft und das Auto zur Bucht hinunter gefahren. Nach dem Lachs sitzen wir jetzt draußen bei einer Tasse Kaffee auf der Terrasse hinter dem Restaurant. Windgeschützt durch eine Plexiglasscheibe blicken wir auf die grauen Wolken über dem Croagh Patrick, während ich die Abenteuer des heutigen Tages zu Papier bringe.
Rollin’ home. Im beginnenden Abendlicht brechen wir auf. Einige Meilen vor Leenaun rücken links und rechts die Berge an die Nationalstraße heran, ein einmaliges Panorama, das man nur aus dieser Fahrtrichtung vor sich hat und am eindrucksvollsten am frühen Abend ist. Anhalten – aussteigen – fotografieren – weiterfahren – anhalten – aussteigen – fotografieren – weiterfahren. Ein Farmer pflügt einen bereits gepflügten Ackerstreifen ein zweites Mal, vermutlich um zu sehen, was da für seltsame Gestalten am Straßenrand stehen. Ein Stück hinter Leenaun trete ich oberhalb der Tullyconor Bridge erneut auf die Bremse, steige aus und klettere einen kleinen Hügel hinauf. Des Teufels Mutter zeigt sich am Horizont im schönsten Abendlicht, rechts im Bild die Brücke. Dann geht es weiter, zwischen den Bergen hindurch an Loch Fidh und Loch Muc vorbei zum Cottage zurück. Wir zünden ein Torffeuer an.
nser Auto steht wie üblich an der Kirche von An Claddach Dubh, während wir bei ablaufendem Wasser über den Meeresgrund nach Omey Island wandern. Der Tag ist sonnig. Eine leichte Brise nimmt ihm die ärgste Hitze, es ist eher ein Frühlings- als ein Sommertag. Eine schmale Straße, die da beginnt, wo die ausgeschilderte Furt auf die Insel trifft, führt quer über das Eiland zum Westrand Europas. Dort stehen wir nun, und wären unsere Augen gut genug und die Welt eine Scheibe, sähen wir ... nein, nicht die Vereinigten Staaten, wie es immer wieder in Liedern besungen wird, sondern Kanada. Denn Irland liegt sehr viel weiter nördlich, als es dem geneigten Besucher gemeinhin bewusst ist, und statt dem ‘nächsten Kirchspiel New York’ würden vor unseren Augen Neufundland und die Halbinsel von Labrador aus dem Meer auftauchen. Bremen liegt etwa auf gleicher Höhe.
Wir wandern querfeldein zur Nordseite der Insel. Hatte da nicht letzte Woche jemand geäußert, der Donegal unterscheide sich von Connemara dadurch, dass es dort Dünen gibt? Zwei Pferde rechts auf der Weide müssen das mitbekommen haben und protestieren. Wenn das hier keine Dünen sind, meinen sie, wüssten sie auch nicht, was wir unter Dünen verstehen.
Akzeptiert! Tief unten in einem Dünental die Ruine eines Feldstein-
Wir wandern um die Insel herum, steigen auf den einen und anderen Hügel, und kommen schließlich beim Friedhof auf der Nordostseite der Insel an, der immer noch genutzt wird, auch wenn sie in den letzten Jahren mit dem früheren Stuntman und Ringkämpfer Pascal Whelan nur einen dauerhaften Bewohner hatte. Im frühen 19. Jahrhundert waren es noch mehrere hundert. Der Wagen mit den drei Arbeitern vom County Council ist wieder vor Ort. Für die Reparatur eines zweihundert Meter langen Zauns braucht es in Connemara mehr als ein Jahr.
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Das Licht ist zu traumhaft, um nach Hause zu fahren und selbst zu kochen. Wir gondeln nach Clifden, speisen auf der Terrasse von JC’s Restaurant und genießen den Blick über die Clifden Bay. An einem Abend wie diesen ist es der schönste Platz für ein Dinner, nur könnte die Menükarte ein wenig einfallsreicher sein. Und weil es so romantisch ist, gibt es noch einen sündhaft teuren Bailey’s Cheese Cake zum Dessert.
ach fünf Tagen in der Donegal-
Das Wasser hat sich weit zurückgezogen, und große Hinkelsteine, an denen Obelix seine Freude gehabt hätte, liegen im Sand. Hinter einem dieser Riesenkiesel spielt eine Mutter mit ihrem Lütten. Toddler, Watschler, nennt man die Kleinen hier, sobald sie beginnen, sich auf ihre zwei Beine zu erheben. Und so watschelt ihr Toddler neugierig die Welt erkundend über den Strand, derweil seitab mien Deern den Blick sinnend zu Boden gerichtet mit blanken Füßen durch den feuchten Sand streift. Mit der Schale einer Jakobsmuschel kommt sie zurück.
In Carna suchen wir den netten Coffee Shop, den wir im vergangenen Jahr am Ortseingang entdeckt hatten. Es gibt ihn nicht mehr, ein Opfer der Rezession? Also autobummeln wir im nachmittäglichen Sonnenschein die Küste entlang nach Norden, halten hier und dort für ein Foto, das wir dann doch nicht machen, bis wir Clifden erreichen, wo die Liebste bei Hehir’s einen Pullover in Augenschein nimmt, den sie dann doch nicht kauft.
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Am Abend sind wir bei Frank & Rose in Mullaghgloss eingeladen. In Erwartung einer geöffneten Flasche Wein gehen wir die anderthalb Meilen zu Fuß und lassen uns auf dem Weg in ein Schwätzchen mit zwei seiner Schwestern ein, die gerade aus dem Haus ihrer Mutter kommen. So klopfen wir zwanzig Minuten nach der vereinbarten Zeit bei unseren Freunden an die Hintertür ...
... doch wer da meint, das dies für Iren geradezu unhöflich pünktlich ist, der täuscht sich. Der Wein steht schon auf den Tisch, Kerzen brennen und alles deutet darauf hin, dass man schon eine ganze Weile auf uns gewartet hat und vermutlich zu dem Schluss gekommen ist, dass an der sprichwörtlichen Pünktlichkeit der Deutschen nichts dran ist.
ür dieses Jahr ist es unserer letzter Tag in Irland. Morgen geht es quer über die Insel zum Flughafen, doch das zählt nicht mehr.
Lange Schlafen, lange Frühstücken, dann brechen wir nach Clifden auf. Wir parken das Auto am Old Station House, dem ehemaligen Bahnhof, schlendern durchs Städtchen, besorgen noch zwei Mitbringsel und verfallen in Melancholie. Kein gutes Konzept für einen ‘letzten Tag’!
“Lass’ uns nach Cleggan fahren”, meint mien Deern, “im Tiny Teapot gab’s letztes Jahr so leckere Scones, und es war so nett auf der kleinen Terrasse an der Cleggan Bay.” Gesagt, getan, vorbei an der Baustelle des ‘Clifden Airstrip’, auf der sich in diesem Jahr tatsächlich etwas zu tun scheint, wenngleich – ungewöhnlich genug in diesem Land – kein Schild darauf hinweist, was hier gebaut wird, welches Ministerium das unterstützt, unter welchem National Development Plan das Vorhaben läuft und welche EU-
Der ‘Winzige Teepott‘ hat heute Nachmittag geschlossen, und bis sechs Uhr wollen wir uns nicht auf der Kaimauer sitzend der Melancholie hingeben. Doch nur nicht zurück ins Cottage, wo schon fast alles abreisefertig gepackt ist. Auf nach Leenaun!
Und dort sitzen wir nun vor dem Sheep-
Reiseberichte Irland: Connemara 2010
© 2011 Jürgen Kullmann – Letzte Bearbeitung: 23.05.2011