Katjas irischer Flickenteppich

von Katja Heimann-Kiefer

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No business like show business

Bereits an unserer deutschen Uni waren Frank und ich Mitglieder einer englischen Theatergruppe gewesen, und wir wollten dieses lieb gewonnene Hobby auch in Bray nicht aufgeben. Nach kurzer Zeit stießen wir auf die St. Fergal’s Stage and Variety Group in Bray, der wir uns anschlossen. Der beste Weg für uns, mit Iren in Kontakt zu kommen und etwas aus ihrem Alltagsleben zu erfahren, denn beruflich trafen wir hauptsächlich auf Deutsche und andere Ausländer.

Diese Theatergruppe führte am Anfang eines jeden Jahres eine „Pantomime“ auf. Das hat nichts mit dem zu tun, was wir in Deutschland mit Pantomime verbinden, nämlich eine Vorstellung ohne Worte, die durch ausdrucksvolle Gesten lebt. In Irland (und England) ist eine Pantomime, liebevoll „Panto“ genannt, eine äußerst lebhafte, bunte und laute Angelegenheit, sehr lustig und gespickt mit aktuellen Anspielungen auf die Politik oder Ähnliches. Die Geschichten basierten häufig auf bekannten Stoffen, so gaben wir zum Beispiel Aladdin oder Goldilocks and the three bears, die mit absurden Dialogen und Verwirrungen aufgepeppt und verlängert wurden. Mit großem Engagement wurden von den Gruppenmitgliedern Kostüme genäht und Kulissen gebastelt, und jeder versuchte, etwas zu den benötigten Requisiten beizutragen.

Geprobt wurde spät: Beginn 20 Uhr, Ende locker 23 Uhr. In Deutschland wäre ein so später Termin ungewöhnlich gewesen, aber ich glaube, in Irland war es ganz normal, zu solchen Zeiten zwecks Freizeitgestaltung noch unterwegs zu sein. Die Proben fanden in einer großen Wellblechhalle statt, in der es entsetzlich kalt war. Wenn ein Mitglied der Gruppe Geburtstag hatte, gab es einen der klassischen Geburtstagskuchen, aus Biskuitteig und mit Zuckerguss überzogen. Der Guss war so unvorstellbar süß und zuckrig, dass man die Zuckerkörnchen förmlich zwischen den Zähnen knirschen spürte. Das hatte schon fast wieder was, auch wenn wir den Eindruck nicht los wurden, dass eigentlich niemand diese Kuchen so richtig mochte. Aber sie gehörten nun einmal dazu.

Die Proben wurden immer für eine Runde Tee und Kekse unterbrochen, bei der kalten Halle jedesmal ein Höhepunkt des Abends! Dann war auch Zeit für ein Schwätzchen. So kam ich einmal mit dem Ehemann einer Akteurin ins Gespräch und erzählte ihm, dass ich bei einer beginnenden Erkältung abends im Bett gerne eine heiße Zitrone mit Honig trinke: Davon würde einem so schön warm – „it makes you feel hot in bed“. Er hat sich nicht wieder eingekriegt und mich noch lange Zeit damit aufgezogen.

Mama BearZu unserem Leidwesen bekamen wir nur sehr kleine Rollen bzw. Rollen, bei denen unser Akzent nicht ins Gewicht fiel. Besonders stark ausgeprägt war er zwar nicht, aber natürlich hörte jeder, dass wir keine Iren waren. So spielten wir in Goldilocks and the three bears zwei Bären, ich Mama Bear und Frank das Bärenkind. Im schwarzen Wuschelpelz standen wir auf der Bühne, tanzten und schmetterten aus vollem Halse „There’s no business like show business ...“.

Die Aufführungen waren die Höhepunkte des Jahres. Die große Halle war vollgestellt mit Stühlen, es kamen viele Besucher, viele Kinder vor allem. Süßigkeiten und Getränke wurden verkauft. Dann die Aufführung, die Spannung, ob alles klappt, und schließlich dieses grandiose Gefühl, wenn das Stück zu Ende ist und es eine gute Vorstellung war. Wer einmal bei einem Theaterstück mitgemacht hat, weiß, was ich meine!

Die Gruppe belohnte sich nach Abschluss der Aufführungen mit einem Restaurantbesuch, wozu wir immer nach Delgany ins Wicklow Arms fuhren, wo man wirklich lecker essen konnte. Es war nicht möglich, dort einen Tisch vorzubestellen, sondern man musste nach der Ankunft warten, bis ein ausreichend großer frei geworden war. Zum Warten gab es einen Extraraum, in dem man schon einmal Getränke ordern konnte. Bei der Größe unserer Gruppe dauerte das Warten meist ein ganzes Weilchen.

Einmal hatte ich besonderes Pech: Mittags hatte ich in Erwartung des Restaurantbesuchs nur einen Sandwich gegessen und war somit am Abend richtig hungrig. Dann dauerte es eine halbe Ewigkeit, bis wir einen Tisch bekamen. Die Speisekarten wurden studiert, die Bestellungen aufgegeben. Wieder warten. Inzwischen war es 22 Uhr oder später geworden. Dann kam endlich irgendwann unser Essen. Ich hatte mir an jenem Tag – es muss ein Anfall von Kalorienbewusstsein gewesen sein – statt der Pommes gekochte Kartoffeln als Beilage bestellt. Als mein Teller kam, waren aber Pommes darauf. Wäre ich klug gewesen, hätte ich mich an ihnen erfreut und meine Mahlzeit genossen, aber ich Unglückliche ließ sie zurückgehen und bat um die bestellten Salzkartoffeln. Nun waren fast alle beim Essen, nur ich und ein anderes Mitglied unserer Gruppe warteten noch. Nach einer Weile hörte man aus Richtung Küche ein ohrenbetäubendes Klirren und Krachen. Die anderen feixten und prophezeiten, das seien bestimmt unsere Teller gewesen. Und tatsächlich: kurz darauf erschien eine Bedienung und bat um noch etwas Geduld – sie hätten da gerade eine kleine Panne in der Küche gehabt ...

Zum Sommer hin wurde häufig ein „normales“ Theaterstück einstudiert, aber diese Stücke hatten nie den großen Erfolg der Pantomimes im Winter.

 
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© 2004 Katja Heimann-Kiefer